Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
mit dem Gewehr gegen die Schläfe, und Sachi sackt in sich zusammen.
Ich halte Rory fest in den Armen und gebe vor, sie zu trösten, während sie gegen mich ankämpft und ihre Fingernägel sich in meine Handgelenke bohren.
»Lass mich los!«, ruft sie, und ich fühle ihren heißen Atem an meinem Ohr. »Ich muss ihnen sagen, dass ich es war. Lass mich los!«
Doch wozu wäre Sachis Opfer gut, wenn Rory ebenfalls verhaftet würde?
»Nein«, sage ich laut. »Halte dich von ihr fern. Sie ist eine Hexe.«
Auf einmal steht Bruder Ishida neben uns. Sein Gesicht ist fahl und vor Schreck wie erstarrt. Er tut mir beinahe leid, wie er so auf seine Tochter hinuntersieht, die bewusstlos in einem Wirbel aus rosafarbener Spitze, schwarzer Wolle und grauem Pelz vor den Füßen der Wachen liegt. Blut tropft aus einer klaffenden Wunde an ihrer Schläfe in den Dreck. Ich habe kurz den unsinnigen Gedanken, dass ich Sachi heilen könnte, wenn ich sie nur berühren dürfte. Aber natürlich geht das nicht. Nicht vor all diesen Menschen.
Ein gut aussehender blonder Wachmann spuckt auf Sachi. »Verdammte Hexe.«
»Wir sollten sie am besten auch gleich ins Feuer werfen«, sagt ein dunkelhaariger Wächter und richtet den Gewehrlauf auf Sachi, als wäre er bereit, sie sofort zu erschießen, sollte sie sich auch nur einen Zentimeter bewegen.
Nein. Bitte nicht, lieber Gott.
»Sachiko, eine Hexe?«, murmelt Bruder Ishida verwirrt. »Meine Tochter ist eine Hexe?«
Ein älterer Wachmann zieht Sachi hoch und wirft sie sich wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter. »Dieses Mädchen ist Ihre Tochter, Sir? Mein Beileid zu Ihrem Verlust.«
»Wo … wo bringen Sie sie hin?«, fragt Bruder Ishida.
»Ins Gefängnis, wo sie bis zu ihrer Verhandlung auch bleiben wird. Obwohl nach so einer Vorführung wohl keine Verhandlung mehr nötig sein sollte.« Der Wächter schüttelt den Kopf. »Es ist wohl das Beste, sie so schnell wie möglich fortzuschaffen, Sir.«
»Nein«, klagt Rory.
Ich fasse sie an den Schultern und schüttle sie heftig. »Hör auf. Hör sofort auf damit! Reiß dich zusammen.«
Rory sieht mich an, dann vergräbt sie ihr Gesicht in meinem Haar und flüstert mir ins Ohr. »Cate, bitte, bitte, sie dürfen sie mir nicht wegnehmen. Sachi ist alles, was ich habe. Bitte.«
Auch wenn sie einen sehr dummen Fehler begangen hat, geht es mir doch zu Herzen.
»Bruder Ishida.« Es ist Finn, der plötzlich ganz nah neben mir steht, so nah, dass er mich beinah berührt. Seine Stimme ist ruhig und zeigt keinerlei Gefühl. Benommen sehe ich ihn an. »Sir, bitte erlauben Sie mir, Miss Elliott zurück ins Gasthaus zu bringen. Sie hat einen schweren Schock erlitten.«
Bruder Ishida würdigt Rory keines Blickes. Er interessiert sich nicht im Geringsten für sie, noch nicht einmal jetzt. »Ja, natürlich. Danke Ihnen, Belastra. Ich werde …« Er ringt kurz um Worte, doch dann lässt er den Satz unbeendet und folgt den Wachen.
Jetzt sind wir drei alleine, alleine auf einer Insel inmitten der gaffenden Menge. Die Hälfte der Leute um uns herum ist weit zurückgewichen, während die Schaulustigen näher gekommen sind, um das Spektakel besser beobachten zu können. Meine Wangen brennen, als ich Rory verlegen den Rücken tätschle. Schwester Cora wird mir hierfür den Kopf abreißen.
Bruder Covington sagt etwas von wegen, dass das Böse ans Licht kommen werde, aber das Feuer des Herrn und der Tugendhaften nicht ausgelöscht werden könne. Er hat sich über diese grausige Vorstellung offenbar richtig gefreut. Das Flammenmeer ist wieder ruhiger geworden. Die Zeremonie beginnt von Neuem. Schwester Cora und Schwester Inez führen eine Gruppe Ordensschwestern mit Büchern aus unserer Bibliothek nach vorne.
Covingtons Worte scheinen von sehr weit her zu kommen. »Wir alle sind heute Abend Zeuge dessen geworden, dass Hexen so besessen davon sind, ihre heidnischen Götzen zu bewahren, dass sie noch nicht einmal davor zurückschrecken, in einer großen Menschenmenge Magie zu benutzen. Das unterstreicht natürlich nur die Rechtschaffenheit unserer Vorgehensweise.«
Meine Arme zittern, die Beine schwanken unter mir. Rory ist auf einmal unglaublich schwer.
»Gib sie mir«, sagt Finn leise und übernimmt sie. »Ich bringe sie nach Hause. Sie sollten sich dem Rest Ihres Ordens anschließen, Schwester Catherine.«
Oh. Wie seltsam sich das aus Finns Mund anhört. So formell.
Nach Fassung ringend suche ich seinen Blick. »Ich … ich …«
»Miss Elliott
Weitere Kostenlose Bücher