Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
gefärbt. Das Feuer knistert und stößt Rauchwolken in die Luft, aber die Abendluft ist dennoch kalt. Auf der anderen Seite des Platzes ragt die Richmond-Kathedrale in den Himmel und verdeckt die Sterne. Ich vergrabe die Hände in meinem Muff und suche die Menge wieder nach Finn ab, während ich gleichzeitig vorgebe, Covington aufmerksam zuzuhören.
»Ich habe die Gläubigen gebeten, Brennmaterial für unser Feuer mitzubringen, und ich bin hocherfreut zu sehen, dass so viele von Ihnen Bücher dabeihaben.« Die Leute schwenken begeistert ihre Opfergaben in der Luft. »Gleich werde ich Sie bitten vorzutreten, aber zuerst …«
Zwei Wachmänner zerren eine Frau nach vorne. Sie weint und versucht, sich gegen die Männer zu wehren, doch ihr sind die Hände auf den Rücken gebunden. Ein dritter Wächter zieht einen Wagen, der randvoll mit Büchern ist. »Diese Frau, Hannah Maclay«, sagt Bruder Covington, »hat mit verbotenen Büchern gehandelt. Sie hat sie genau hier in den Straßen von New London verkauft.«
Die Leute buhen und recken die Hälse; neugierige Kinder laufen vor und werden von ihren Müttern wieder zurückgezogen.
Auch Finns Mutter ist – war, bis vor Kurzem noch – Buchhändlerin.
»Sie hat den Geist unserer Frauen und Kinder vergiftet, indem sie ihnen niederträchtige Liebes- und Schauerromane verkauft hat, wie sie in Übersee populär sind. Sie behauptet, diese Romane wären kein Verrat, sondern Schätze. Ich würde ihr gerne zeigen – Ihnen allen, die heute Abend hier versammelt sind –, wie wenig diese Bücher wert sind.«
Zwei der Wachen nehmen jeweils eine Handvoll Bücher und werfen sie ins Feuer. Die Seiten verfärben sich schwarz und kräuseln sich, während die Worte darin ausgelöscht werden. Da macht Hannah Maclay sich mit einem Ruck von ihrem Wächter los, und er schubst sie und …
Sie schreit und fällt mitten in die Flammen.
Ihr schwarzer Umhang fängt Feuer. Ebenso wie ihre langen braunen Haare.
Guter Gott, sie werden sie doch nicht einfach verbrennen lassen? Warum hilft ihr denn keiner?
Niemand rührt sich. Die Menge ist wie erstarrt. Ein paar Kinder fangen an zu kreischen, und die Väter, die von diesem Spektakel vollkommen überrascht sind, setzen sie hastig ab. Ich würde auch am liebsten schreien.
Meine Magie regt sich in mir, steigt in meiner Kehle auf. Ich bin kurz davor, in Gedanken einen Bewegungszauber auszusprechen, doch dann wird mir klar, dass es ja nicht auf mich zurückfallen würde. Die Brüder würden annehmen, dass Hannah Maclay selbst sich mit magischen Kräften aus den Flammen befreit hat. Und wenn die Brüder sie für eine Hexe halten, werden sie sie gleich ins Feuer zurückstoßen.
Ich unterdrücke die Magie und bete stattdessen. Bitte, mach, dass die Wachen nicht so herzlos sind, wie sie aussehen.
Es dauert einen langen Moment, bis die Wachmänner nach ihr greifen und sie aus den Flammen ziehen. Sie schreit und schlägt wild um sich. Dann stoßen die Wächter sie zu Boden und werfen einen Umhang über sie, entweder um die Flammen zu ersticken oder um die Frau vor unseren Blicken zu verbergen. Von ihr ist kein Laut mehr zu hören.
Die Menge ist absolut still. Ich sehe hinüber zur Schwesternschaft und kann jetzt Rilla erkennen, die sich vor Entsetzen die sommersprossigen Hände vors Gesicht geschlagen hat. Die Frau vor ihr hält den Säugling mit der roten Mütze fest an sich gedrückt. Sie hat sich leicht von der Bühne abgewendet, so als wolle sie dem Kind den Anblick ersparen. Der Junge hängt an ihren Röcken.
Ich blicke zu Bruder Covington auf die Bühne. Alle sehen zu ihm hinauf.
Sein schönes Gesicht hat einen ernsten Ausdruck angenommen. Er schüttelt den Kopf, während die Wachen die Frau davontragen. Lebt sie noch? Sie ist so still. »Ein bedauerlicher Unfall«, sagt er. »Durch ihren eigenen Ungehorsam verursacht.«
Das sah nicht gerade nach einem Unfall aus. Das sah vielmehr nach einer sorgfältig inszenierten Botschaft aus. Einer Warnung.
Sachi und Rory stehen mit gefalteten Händen und aschfahlen Gesichtern dicht nebeneinander.
Die Zeremonie geht weiter, als wäre alles in bester Ordnung. Als hätten wir nicht gerade zugesehen, wie eine Frau in Brand gesteckt und zu Tode erschreckt, wenn nicht sogar getötet wurde.
Eine Reihe von Brüdern bewegt sich vorwärts. Jeder hält ein oder zwei Bücher in der Hand. Sie werfen sie ins Feuer und nicken dabei, als würden sie das Sakrament austeilen. Es ist so still wie bei einem
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