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Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)

Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Spotswood
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sich nach mir um. »Diese Jungen, die Mei mit dem Stein getroffen haben, hatten auf die Brüder gezielt. So etwas habe ich noch nie vorher gesehen.«
    »Ich war gestern zu Hause«, sagt Mei und beugt sich vor, um ihre Stiefel aufzuschnüren. »Papa ist eigentlich nicht politisch, aber er hat richtig geschrien, so aufgebracht war er wegen des Verbots der Frauenarbeit. Meine Schwester Li ist vor ein paar Wochen sechzehn geworden, und sie hat sofort eine Anstellung gefunden, wo sie Mieder bestickt und gutes Geld verdient hat. Papa hofft, dass sie wenigstens von zu Hause aus nähen darf, aber wenn nicht …«
    »Für die Menschen mit genug Geld wird es gar keinen Unterschied machen. Die Frauen und Töchter der Wohlhabenden gehen sowieso nicht arbeiten«, sagt Alice und klackert unruhig mit ihren Absätzen auf den Holzdielen.
    Ich merke, wie ich rot werde. Vater hat auch einmal als armer Lehrer angefangen, doch als er das Reedereigeschäft seines Onkels erbte, wurde er Kaufmann wie Alice’ Vater. Seitdem haben wir immer genug Geld gehabt, und meine Schwestern und ich mussten nie arbeiten. Finn hatte Angst, die Leute könnten sagen, ich würde unter meinem Stand heiraten, wenn ich ihn zum Mann nähme. Er fürchtete, dass ich es ihm letztendlich übel nehmen könnte, meine Knöpfe selbst annähen und mein Essen selbst kochen zu müssen. Das war unter anderem einer der Gründe dafür, dass er der Bruderschaft beigetreten ist – um sich eine Frau leisten zu können.
    Seine Nachricht fällt mir wieder ein.
    Komm um Mitternacht zur Gartenpforte. Ich muss mit dir reden.
    Das war alles.
    »Mit mir redet Papa ja kaum über Politik, aber ich wette, es ist ihm absolut gleichgültig«, fährt Alice fort. »Jemandem wie ihm würden die Brüder vielleicht zuhören – jemandem, den sie respektieren –, aber doch nicht irgendwelchen Ladenbesitzern.«
    »Aber wenn erst einmal genug Menschen aufgebracht sind …«, setze ich wieder an. Auf der Ottomane sitzend, mit den Knien fast neben den Ohren komme ich mir vor wie ein kleines Kind, das nicht ernst genommen wird, also stehe ich auf.
    »Das würde überhaupt nichts ändern. Wir müssen etwas ändern. Warum siehst du das nicht ein?« Alice wirft die Hände in die Luft. »›Diese finsteren Zeiten werden nicht ewig andauern‹, sagt Schwester Cora, aber sie werden auch nicht enden, wenn wir nichts unternehmen! Wir können nicht einfach hier sitzen und darauf warten, dass du endlich irgendwelche Vorhersehungen hast.«
    Wieder schießt mir das Blut in den Kopf. Sie hat ja keine Ahnung, wie es ist, sich so vollkommen nutzlos zu fühlen. »Ich wäre froh, wenn ich etwas tun könnte, um es zu beschleunigen!«
    »Wärst du das wirklich?«, spottet Alice, und ich sehe schuldbewusst auf den blauen Teppich.
    »Wir müssen doch wenigstens irgendetwas tun«, sagt jetzt Lucy. Sie ist eins der jüngsten Mädchen im Kloster, gerade erst zwölf, mit roten Wangen und langen karamellfarbenen Zöpfen. »Wir können doch nicht einfach nur zusehen, wie sie immer mehr Mädchen wegsperren oder … oder sie in Brand setzen!«
    »Siehst du, sogar unser Dickerchen kann schon so weit denken«, sagt Alice. Lucy ist etwas pummelig. Noch nicht einmal vor der harmlosen Liebe eines Kindes für Süßigkeiten macht Alice’ böse Zunge halt. »Mach dir doch nichts vor, Cate, diese Leute scheren sich keinen Deut um die Rechte der Frauen. Was sie interessiert, ist doch bloß, was sie auf dem Teller haben. Die Bruderschaft hält sie in Angst und Schrecken – vielleicht sollten wir das auch tun. Vielleicht ist das der einzige Weg, sie alle in Schach zu halten.«
    »War das nicht der Grund dafür, dass die Töchter von Persephone überhaupt die Macht verloren haben?«, frage ich.
    Keine sagt mehr etwas. Da spüre ich ein Prickeln im Nacken und drehe mich langsam um.
    »Miss Cahill?« Schwester Inez steht in der Tür. »Kann ich Sie kurz sprechen, bitte?«
    Sie hat immer noch einen starken spanischen Akzent, einen Singsang, der eindeutig im Widerspruch zu ihrer sonstigen Art steht. Ich habe Gerüchte gehört, dass sie schon als Kind vom spanischen Hoheitsgebiet über die Grenze nach Neuengland geflohen ist, um andere Hexen zu finden, und dabei sogar die Hinrichtung riskiert hat. Das hört sich ziemlich romantisch an, doch der Grenzwächter, der sich ihr in den Weg stellt, hat mein aufrichtiges Mitleid. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihre Blicke töten können.
    »Natürlich, Ma’am.« Ich folge Inez den Flur hinunter.

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