Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
sehen. Wir haben ihn bis nach Hause riechen können.« Tess umarmt ihr Buch, als wolle sie es vor dem schrecklichen Schicksal seiner Freunde bewahren. »Vater war außer sich. Ich war außer mir.«
»Wo wir gerade von Marianne sprechen«, sagt Maura vom Fenster aus, »ich kann es gar nicht fassen, dass Finn Belastra der Bruderschaft beigetreten ist. Das scheint mir so gar nicht zu ihm zu passen.«
Sie sieht mich an und erwartet ganz offensichtlich eine Antwort von mir. Wie viel weiß sie? »Da hast du wohl recht.«
»Zu Hause sagen sie alle, dass du deswegen der Schwesternschaft beigetreten bist. Weil Finn dich sitzen gelassen hat.« Maura zieht sich die edelsteinbesetzten Kämme aus den Haaren und legt sie auf den Frisiertisch. »Stimmt das?«
Ich stemme die Hände in die Hüften. »Nein. Ich bin der Schwesternschaft beigetreten, um euch beide zu beschützen. Das weißt du doch.«
»Wie schade«, seufzt Maura. »Ich war ziemlich beeindruckt. Meine große Schwester, die eine skandalöse Liebesaffäre mit dem Gärtner hat! Wie im Roman. Du sagst also, da war nichts zwischen euch? Keine verstohlenen Küsse im Pavillon?«
»Nein. Na ja, schon. Ich meine, es ist nicht, wie du denkst«, beteuere ich. Auf einmal bin ich ganz durcheinander, und ich merke, wie ich rot werde. »Er hat mich nicht sitzen gelassen. So ist er nicht.«
»Natürlich ist er das. Du armes Ding.« Maura starrt mich über den Spiegel an. Auch Tess sieht mich an, und ihre grauen Augen sind voll Mitgefühl. »Es muss ein furchtbarer Schock gewesen sein. Erst verrät er seine Mutter, und dann lässt er dich sitzen. Aber er war schon immer ziemlich ehrgeizig, nicht wahr? Ich kann mich noch daran erinnern, wie er in der Sonntagsschule war. Ein schrecklicher Besserwisser.«
»Maura!«, schilt Tess. »Sie will nicht darüber reden. Hör auf, sie zu piesacken.«
»Ich piesacke sie doch nicht. Ich tröste. Aber vielleicht bin ich nicht besonders gut darin.«
Maura kniet sich hin und zieht ein schimmerndes Goldkleid aus einem ihrer Koffer. Als sie zu mir hochblickt, ist ihr Gesicht traurig, verwundbar. »Ich weiß, wie es ist, ausgenutzt zu werden. Du hättest doch zu mir kommen können, Cate. Du hättest dich mir anvertrauen können.«
»So war es aber nicht mit Finn«, protestiere ich. »Es war nicht so wie mit dir und Elena.«
Als sie wieder aufsteht, ist ihr Gesicht verändert. »Natürlich nicht. Sicherlich war das, was ihr zusammen hattet, sehr viel tiefgründiger – bis er dich wegen Bruder Ishida sitzen gelassen hat. Aber wenigstens wissen wir jetzt, warum du Paul nicht heiraten wolltest. Tess, hilfst du mir mal beim Aufknöpfen?« Maura dreht uns den Rücken zu.
Verdammt. Ich habe mal wieder das Falsche gesagt. Wie kommt es, dass ich immer das Falsche zu Maura sage?
Tess knöpft artig Mauras Kleid auf. Ich schließe die Augen und bete um Geduld. »Ich habe Paul nicht geliebt. Hast du mir nicht einmal gesagt, ich solle niemanden heiraten, der mein Herz nicht schneller schlagen lässt?«
Maura sieht mich verstohlen im Spiegel an. »Du musst dir wegen Paul keine Sorgen machen. Er war überrascht, das sicherlich, aber er scheint auch ohne dich ganz gut zurechtzukommen.«
»Das freut mich«, sage ich trocken. »Dann ist er jetzt also wieder in New London?«
»Ja.« Mauras Stimme klingt gedämpft, als Tess ihr das Kleid über den Kopf zieht. »Er hat jetzt eine Anstellung in Mr Jones Architekturbüro. Er sagte, es hält ihn nichts mehr in Chatham.«
Ich sollte nicht fragen. Sie wartet nur darauf, und die Genugtuung gebe ich ihr nur äußerst ungern. Aber ich kann meine Neugier einfach nicht im Zaum halten. »Als wir unten waren, hast du gesagt … du hast angedeutet … dass Paul dich besuchen kam?«
»Überrascht dich das?« Maura lacht. »Ich bin eben einfach hinreißend.«
»Ja, ich weiß.« Sie ist schöner als ich, mitteilsamer und klüger. Sie liebt die Großstadt, genau wie Paul, und sie will das Abenteuer. Es ist nicht zum ersten Mal, dass ich denke, sie würden gut zusammenpassen, aber trotzdem bin ich überrascht. »Es ist ja nur, weil er das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, um meine Hand angehalten hat, und das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, warst du …«
»Das letzte Mal, als du mich gesehen hast, war ich ein Dummkopf. Meine Gefühle für Elena waren nichts weiter als eine zweiminütige Vernarrtheit in eine Lehrerin. Ich war einsam, und sie schmeichelte mir, gab mir das Gefühl, wichtig zu sein. Und ich war so
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