Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
Tournüre, um ihre Figur besser zur Geltung zu bringen.
»Ach«, winkt Maura ab. »Wozu sie fähig sind. Ob sie vertrauenswürdig sind. Solche Sachen. Ich rechne jeden Tag damit, richtige Vorhersehungen zu haben.«
Als ich an ihr vorbeisehe, erblicke ich Tess, die neben Rory auf einer Ottomane sitzt. Ihr Haar ist in geflochtenen Zöpfen um den Kopf gewunden, genau wie meines. Sie trägt ein rot kariertes Kleid und sieht mit ihren rosigen Wangen recht gesund aus – wenn auch ein bisschen skeptisch, was Mauras neu entdeckte hellseherische Fähigkeiten angeht. Als sie mich erblickt, springt sie auf. Ich könnte schwören, dass sie mindestens zwei Zentimeter gewachsen ist, seit ich sie zuletzt gesehen habe.
»Cate!« Sie wirft sich in meine Arme, und ich drücke sie so fest, dass sie ein leises Kreischen von sich gibt. Dann lacht sie, und ich falle mit ein.
Da erhebt sich auch Maura und umarmt mich flüchtig. Sie riecht süßlich und nach Zitrone, wie Zitronenstrauch. »Da bist du ja endlich! Wir warten schon seit Ewigkeiten auf dich.«
»Tut mir leid, dass ich nicht hier war, als ihr angekommen seid. Ich habe euch so vermisst«, sage ich und sehe Maura prüfend an. Ist sie immer noch böse auf mich, weil ich sie zurückgelassen habe?
Ich bin froh, dass die beiden hier sind. Die Schwesternschaft ist zwar nicht das, was ich für sie gewollt hätte, aber sie ist trotzdem nicht so schlimm, wie Mutter es immer dargestellt hat. Und vielleicht sollte es auch nicht alleine meine Entscheidung sein. Die beiden sind noch größer und hübscher und erwachsener denn je, und mit einem Mal wird mir klar: Sie sind keine Kinder mehr. Sie haben das Recht, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden.
Maura wendet sich wieder ihrem unfreiwilligen Publikum zu und drückt sich theatralisch die Hände auf die Brust. Alle Blicke sind auf sie gerichtet, genau wie sie es mag. »Es war furchtbar, so ganz alleine auf dem Land.«
Tess schlägt Maura auf den Arm. »Du warst gar nicht alleine, du dumme Gans! Ich war auch da!«
»Ach, du weißt doch, was ich meine.« Mauras Lachen ist hell und temperamentvoll. »Chatham ist einfach schrecklich langweilig. Wir haben dort überhaupt keine anderen Hexen kennengelernt. Unsere Mutter war so streng, wir durften so gut wie nie üben. Ich will alles über die Schwesternschaft und die Geschichte der Magie erfahren. Ich beneide euch alle so sehr; ich bin für mein Alter leider schrecklich hinterher.«
Mauras Stirn ist von Sorgenfalten durchzogen. Dabei hat es ihr noch nie an Selbstbewusstsein gemangelt. Aber es ist genau die richtige Taktik; Alice und Vi und ihre Lakaien überschlagen sich förmlich, Maura Nachhilfe oder irgendeine andere Unterstützung anzubieten. Ich wende mich wieder Tess zu. »Deine Frisur gefällt mir. Und was bist du groß geworden. Dabei hab ich dir nur kurz den Rücken zugedreht, und schon gehst du mir bis zum Kinn.«
»Ich bin eine absolute Riesin.« Tess grinst mich an. »Ach Cate, ich bin so froh, dich zu sehen. Ich habe dich vermisst!«
»Ich hab dich noch viel mehr vermisst.« Ich sehe mich um, wer sich mit uns im Raum befindet: Rebekah und Lucy sitzen am Klavier, aber sie haben zu spielen aufgehört. Mei schlägt Rilla gerade mühelos beim Schach. Ein paar von Alice’ Lakaien liegen auf dem Boden vor dem Kamin und blättern in Zeitschriften. Aber es sind keine Lehrerinnen da. »Ist Elena auch hier?«
Bei dem Namen merkt Maura auf. »Natürlich. Sie ist gerade bei Schwester Inez. Sie und Paul haben uns hierhergebracht.«
»Paul McLeod? Mein Paul?« Er ist der Letzte, von dem ich gedacht hätte, dass er meine Schwestern begleitet.
»Ist er dein?« Maura grinst. »Er hat uns mehrere Besuche abgestattet, seit du fort warst.«
Tess hat das Bücherregal mit Schauerromanen entdeckt, doch jetzt sieht sie wieder mich an. »Er hat sich Sorgen um dich gemacht.«
»Ach ja? Mir gegenüber hat er Cate kaum erwähnt«, stichelt Maura, und ich spüre, wie ich rot werde. Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, war sie untröstlich wegen Elenas Verrat. »Wo warst du überhaupt? Niemand hat es uns gesagt.«
Ich zittere unwillkürlich und lasse mich gegen die blau geblümte Tapete fallen. »Ich war in Harwood.«
»Was?«, keucht Maura. All ihre aufgesetzte Fröhlichkeit ist auf einmal verflogen. Sie lässt sich wieder auf das rosafarbene Sofa fallen, und Alice tätschelt ihr mitfühlend den Arm.
Tess schmiegt sich an mich. Ihre grauen Augen sind voller Sorge. »Ist alles in
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