Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
hört es sich so an, als könntest du im Nationalarchiv glücklich werden.«
»Ich könnte euch sehr nützlich sein. Ich kenne Denisof. Oder besser gesagt, ich habe schon von ihm gehört. Es überrascht mich nicht, dass er im Höchsten Rat ist.« Trotz seiner Bartstoppeln sieht Finns Gesicht auf einmal jungenhaft aus, verwundbar. »Welche Stelle ich auch immer bekomme – du hättest nichts dagegen, mich hier in New London zu haben?«
Ich schüttle den Kopf. »Überhaupt nicht. Ich will dich so oft sehen wie irgend möglich.« Ich schlinge ihm die Arme um den Hals. Er hat Kopfschmerzen; ich fühle es bei jeder Berührung. »Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, es dir zu erzählen, aber ich bin eine sehr gute Heilerin geworden. Ich merke zum Beispiel, dass du gerade Kopfschmerzen hast.«
Er verzieht das Gesicht und massiert sich die Nasenwurzel. »Bruder Ishida macht mir einfach zu schaffen.«
Ich lehne meine Stirn gegen seine. Ich kann den Schmerz sehen: roter, pulsierender Nebel, der langsam verschwindet, als ich mit meiner Magie darauf einwirke. Ich würde Finn vor allem Übel der Welt beschützen, wenn ich nur könnte; Kopfschmerzen sind dagegen nichts.
»Besser?«, frage ich, und er nickt erstaunt. Ich halte mich an seinen Schultern fest, weil sich alles um mich herum zu drehen anfängt. »Ich kann auch schlimmere Verletzungen heilen, aber es hat Nebenwirkungen. Mir wird davon immer etwas … schwindelig.«
»Schwindelig?« Er stützt mich, indem er mir seine Hände auf die Hüften legt.
»Schon wieder gut. Kopfschmerzen sind ziemlich einfach; die meisten Hexen können das. Gestern habe ich einer Frau das Leben gerettet.« Ich bin selbst überrascht, dass ich damit so angebe; solche Gefühle kannte ich bisher in Bezug auf meine magischen Kräfte noch nicht. Ich kann gar nicht aufhören: »Es wird immer einfacher, je mehr ich übe. Ich bin die Beste im ganzen Kloster, abgesehen von Schwester Sophia, und sie ist die Lehrerin in Heilkunst. Es gefällt mir. Ich helfe den Menschen gerne. In Harwood hatte ich das Gefühl, als … als würde ich etwas Nützliches tun, etwas Gutes.«
»In Harwood?« Finns Stimme wird lauter. »Du warst in Harwood?«
Ich nicke und trete ein Stück zurück, um ihn besser sehen zu können. Seine Stirn ist zerfurcht, der Blick seiner braunen Augen hinter den Brillengläsern grimmig. »Ich war nicht allein. Schwester Sophia nimmt jede Woche Mädchen mit auf Heilmission. Und ich habe meine Patentante Zara getroffen. Hat deine Mutter sie dir gegenüber jemals erwähnt?«
»Die Schwestern lassen dich nach Harwood gehen?« Das scheint ihn nicht mehr loszulassen.
»Es war vollkommen unbedenklich«, versichere ich ihm. »Schwester Cora, die Schulleiterin, hat mich gebeten, mit Zara über die bisherigen Seherinnen zu sprechen. Es gab zwei nach dem Brand im Großen Tempel und vor Brenna.«
»Was ist mit ihnen passiert?«, fragt er argwöhnisch.
»Es ist ein bisschen beunruhigend«, gebe ich zu. Und trotzdem ist es eine Erleichterung, ihm von der Folter und den Experimenten und dem Wahnsinn zu erzählen, die Thomasina erleiden musste. Ich wollte Maura und Tess nicht verängstigen, aber letzte Nacht habe ich davon geträumt, wie die Brüder mich mit altmodischen Fackeln umzingelten. Bruder Ishida führte die Meute an und lachte. Es war furchtbar.
Ich hoffe, es war nur meine Angst und keine Vorahnung.
»Guter Gott.« Finns Hände krallen sich in meine Taille. »Wie können sie Mädchen dermaßen foltern und immer noch behaupten, Gottes Stellvertreter auf Erden zu sein?«
»Solange es Hexen sind, stört das niemanden.« Meine Stimme versagt, und ich lehne die Wange an seine Schulter. »Hast du von den Mädchen gehört, die im Keller des Nationalratsgebäudes festgehalten werden?«
Finn fährt mir mit der Hand übers Haar. »Ja, hab ich. Es sind inzwischen neun.«
Noch eins mehr seit Coras Bericht.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, gebe ich zu. »Maura und Tess sind jetzt hier. Maura kritisiert Schwester Cora, weil sie nichts unternimmt, um die Mädchen zu schützen, und sie kritisiert Brenna, weil sie den Brüdern erzählt hat, dass die Seherin jetzt in New London ist. Sie meint, wir müssten Brenna umbringen, bevor sie irgendetwas sagt, was auf uns hinweist.«
»Und was denkst du?«, fragt Finn und tritt ein Stück zurück, damit er mich ansehen kann.
Ich bin so froh, dass er hier ist und ich mit ihm reden kann. Bei ihm fühle ich mich nicht schuldig, weil ich nicht die
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