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Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)

Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Spotswood
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gestern die Wahrheit über Finn erzählen sollen. Ganz gleichgültig, wie sehr Maura auch beteuert, über Elena hinweg zu sein, es ist offensichtlich, dass dem nicht so ist. Nicht, wenn es eine solche Wirkung auf sie hat, mich glücklich zu sehen.
    Finn legt mir eine Hand auf die Schulter. »Willst du nicht nach ihr sehen?«
    »Nein. Ich werde morgen mit ihr reden. Sie … wurde sehr von jemandem enttäuscht. Doch anscheinend ist es noch nicht ganz so vorbei, wie sie dachte.« Wieso muss alles zwischen uns in einem Wettstreit ausarten? Warum tut sie so, als würde meine Beziehung zu Finn ihr etwas wegnehmen?
    »Ja, manchmal ist es besser, sie etwas abkühlen zu lassen«, stimmt Finn mir zu. »Morgen hat sie es vielleicht schon wieder vergessen.«
    Das bezweifle ich allerdings. »Hast du dich mit Clara oft gestritten?«
    Finn nickt, und seine Mundwinkel zucken. »Sehr oft sogar. Sie hat mir immer vorgeworfen, ein rechthaberischer Besserwisser zu sein. Kannst du dir das vorstellen?«
    »Niemals«, lache ich und nehme seine Hand. »Ich würde gerne noch etwas mit dir über diese Spionagesache reden. Mir ist irgendwie nicht ganz wohl dabei …«
    »Was würdest du denn dazu sagen, wenn ich dir verbieten würde, nach Harwood zu gehen?«, unterbricht er mich mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Du würdest mir niemals etwas verbieten«, entgegne ich und ziehe die Nase kraus. Das ist eines der Dinge, die ich so an ihm liebe.
    »Ganz genau. Und den gleichen Respekt erwarte ich auch von dir«, sagt er.
    »Natürlich respektiere ich dich. Sei doch nicht dumm. Du bist der klügste Mensch, den ich kenne, außer vielleicht noch Tess.« Ich atme tief ein und bringe seine Weste in Ordnung. In der Eile hat er sie schief zugeknöpft. »Ich habe bloß Angst. Ich will dich nicht verlieren.«
    »Das wirst du auch nicht. Aber du musst schon zulassen, dass ich die gleichen Risiken auf mich nehme wie du, Cate.« Er zieht mich in seine Arme, und dieses Mal klammere ich mich an ihn. Die Furcht durchfährt mich dunkel und schrecklich.
    Ich hätte nicht gedacht, dass irgendetwas so schlimm sein könnte wie die Angst, meine Schwestern zu verlieren, aber diese Furcht geht genauso tief. Was, wenn ich nie wieder sein warmes Lachen höre, wenn ich nie wieder meine Probleme mit ihm besprechen kann oder ihn nie wieder küssen kann?
    Die Vorstellung einer Welt ohne Finn Belastra ist furchtbar. Ich liebe ihn. Ich wusste es. Ich trauerte um unsere nicht zustande gekommene Hochzeit; ich machte mir Sorgen, dass er mir nicht verzeihen würde oder dass ich ihn jahrelang nicht wiedersehen würde. Aber ich wusste, dass er in Chatham sicher war; ich konnte ihn mir vorstellen, wie er in der Jungenschule unterrichtete, sich Bruder Ishidas Predigten anhörte, in der Wohnung seiner Mutter zu Abend aß. Ich konnte mir sein Leben vorstellen, auch wenn ich nicht länger Teil davon war. Doch der Gedanke an ihn, tot und blass wie meine Mutter, irgendwo auf einem Friedhof begraben – das ist mehr, als ich ertragen kann.
    Ich kann nicht atmen, kann gar nicht mehr richtig denken. Ich darf ihn nicht verlieren. Das würde mich umbringen.
    »Cate.« Finn hebt mein Kinn, und ich küsse ihn. Küsse ihn, als würde ich in tausend Stücke zerspringen, wenn ich es nicht tun würde; ich küsse ihn, als ob meine Lippen auf den seinen ihn vor aller Gefahr beschützen könnten.
    Als er sich von mir löst, sind meine Augen voller Tränen. Ich blicke nach unten, damit er es nicht sieht.
    »Du musst wieder reingehen«, sagt er. »Wir sehen uns bald wieder. Versprochen.«
    Ich schlinge meinen kleinen Finger um den seinen. Die kleinste Berührung seiner warmen, sommersprossigen Haut an meiner.
    Ich nicke, als würde ich ihm glauben. Aber solche Versprechen kann er nicht machen.
    Keiner von uns kann das.

Kapitel 9
    Am nächsten Nachmittag liefere ich mit Alice und Mei das Essen für die Armen aus. Eine Wolke der Unzufriedenheit scheint sich auf alle Wohnungen herabgesenkt zu haben. Die Mütter sehen abgespannt und besorgt aus, und auch wenn sie es nicht wagen, sich zu beklagen, überlegen sie doch laut, wie sie das von uns mitgebrachte Gemüse zu Suppen verlängern könnten. Töchter, die die Woche zuvor noch als Verkäuferinnen gearbeitet haben, sehen uns über ihr Nähzeug hinweg an oder schleichen wie eingepferchte Katzen hin und her.
    Ich fühle mich schuldig, wenn ich daran denke, dass manche von ihnen am Ende der Woche hungrig zu Bett gehen werden. Ich habe zwar gerade auch viele

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