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Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)

Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Spotswood
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verstehe ich, warum Finn so argwöhnisch war. Dieser Protest ist ein Pulverfass kurz vor der Explosion, zusätzlich angeheizt durch Alkohol, Sonne und die Mentalität des Pöbels. Ich stemme meine Füße, so fest ich kann, in den durchweichten Boden. Wenn dieser Flegel denkt, er könne mich misshandeln, hat er sich aber geirrt. »Nehmen Sie Ihre Hände von mir. Mit Ihnen gehe ich nirgendwo hin.«
    »Na komm schon, dreh ’ne Runde mit mir. Ich wette, mit mir hast du mehr Spaß als mit dem da. Schon mal Whiskey getrunken?« Er fummelt in seiner Tasche nach einer Flasche und sieht mich mit seinen dunklen Augen lüstern an. »Schon mal geküsst worden, Schwester?«
    Oh, jetzt reicht es mir aber. Ich gebe ihm eine schallende Ohrfeige.
    Sein Freund lacht. »Die hat’s dir aber gezeigt, Marco!«
    Marco reibt sich die rote Wange und stiert mich an. »Hochnäsiger Fratz.«
    Da tritt Finn einen Schritt vor. Seine Augen blitzen vor Zorn. »So zeigen Sie also Ihren Respekt vor Frauen?«
    Marco grinst. »Du hast recht. Eigentlich haben wir ein Problem mit dir.«
    Er schubst Finn, der daraufhin gegen Tess stößt, die wiederum ausrutscht und hinfällt. Der Matsch spritzt ihr auf den Umhang und ins Gesicht. Finn holt aus, aber der Dunkelhaarige dreht sich mit Leichtigkeit weg und landet einen Treffer. Finn taumelt zurück.
    »Hören Sie auf! Sie sollten sich schämen«, rufe ich und helfe Tess auf. »Sehen Sie bloß, was Sie angerichtet haben. Fühlen Sie sich etwa männlich, wenn Sie ein Kind verletzen?«
    Marco kommt wieder auf mich zu, aber dieses Mal stolpert er mit Karacho über seine eigenen Füße und fällt der Länge nach in den Dreck.
    Tess. Ich kann es ihr nicht verübeln – ich glaube, ein winziges bisschen Magie ist nicht annähernd so schlimm wie eine öffentliche Prügelei. Ich bewege die Finger, die von der Ohrfeige immer noch brennen.
    »Komm, Marco, lass gut sein. Das hier ist nicht die Art von Streit, die wir suchen«, sagt Ted und zieht seinen Freund hinter sich her in die Menge.
    Finn nimmt mich und Tess am Arm und zieht uns in die entgegengesetzte Richtung. »Großartiger Protest, nicht wahr?«, sagt er und sieht mich an. »Ich bringe euch nach Hause.«
    Ich öffne den Mund, um entgegenzuhalten, dass er sich nirgendwo in der Nähe des Klosters sehen lassen sollte, aber er wirft mir einen dermaßen vernichtenden Blick zu, dass ich es nicht wage, auch nur ein Wort zu sagen.
    Erst als wir ein paar Straßen vom Stadtkern entfernt das Marktviertel erreichen, halten wir kurz inne.
    »Hier.« Tess reicht Finn ihr Taschentuch. Das Blut tropft ihm aus der Nase, seine Wange ist bereits geschwollen. Es sieht schmerzhaft aus.
    Finn zieht seinen Umhang aus und rät uns, das Gleiche zu tun. »Wenn die ganze Stadt in dieser Stimmung ist, sind wir so sicherer.«
    Es ist seltsam, ohne Umhang, mit unbedecktem Haar durch die Stadt zu gehen. Das habe ich zuletzt getan, als ich ein kleines Mädchen war. Aber niemand sagt etwas. Was auch merkwürdig ist. Zu Hause hätte ich niemals die Church Street entlanggehen können, ohne gegrüßt oder nach meinem Vater gefragt zu werden. Hier begegnen wir auf der gesamten Länge eines Häuserblocks zwei feinen Damen, die offenbar gerade vom Schneider kommen, mit einem Hausmädchen, das ihnen mehrere Kleider hinterherträgt; einer Mutter, die drei schreiende Jungen mit verschmierten Gesichtern aus einem Süßwarenladen zerrt; einem Mann, der vor einem Schlachter frisches Fleisch verkauft, während uns aus dem Schaufenster ein Schweinskopf anstarrt; einem weiteren Mann, der vier Hutschachteln bis unters Kinn gestapelt trägt und mich anrempelt, sodass ich gegen Tess stolpere. Niemand lächelt oder wünscht uns einen guten Tag. Niemand sieht uns schief an, weil wir unsere Umhänge nicht tragen. Alle kümmern sich bloß um ihre eigenen Angelegenheiten.
    Unser Schweigen wird durch das Quietschen von Wagenrädern und das Klappern von Hufeisen übertönt. Die Zeitungsjungen rufen den Sentinel aus, und Straßenhändler preisen Blumen, geröstete Esskastanien und köstliche Fleischpasteten an. Es ist Feierabendzeit, und die Straßen sind jetzt voller Menschen. Ich gehe dicht neben Finn, mein Arm berührt den seinen, und ich achte darauf, dass ich Tess vor uns nicht aus den Augen verliere. Als wir das vornehmere Wohnviertel um das Kloster erreichen, werden die Häuser größer, und die Geräusche ebben ab, bis nur noch ein paar vorbeifahrende Zweispänner und das durch den Rinnstein fließende

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