Töchter des Schweigens
Licht zu kommen.
Javier und Marisa gehen – jetzt, da sie weit genug weg sind, Hand in Hand – die Treppe zu dem zweiten Hotelstrand auf der Westseite hinunter, hören Mati wiehern und lächeln sich an.
»Sie haben einen solchen Spaß!«, sagt Marisa.
»Das ist die beste Klassenfahrt meines Lebens. Komm, lass uns zum großen Strand gehen. Hast du Lust auf einen Spaziergang dorthin?« Javier weist auf einen etwa zwei Kilometer entfernten Vorsprung am Ende des Strandes, wo alle drei Minuten ein kleiner Leuchtturm aufflammt.
»Ich weiß nicht, Javi. Telmo und Loles sind nicht in der Verfassung, Aufsicht zu führen. Und schließlich sind wir in unserem Hotel … also quasi die Gastgeber.«
»Ach komm, es ist unser letzter Abend. Den müssen wir doch ausnutzen, oder nicht?« Schüchtern legt er ihr den Arm um die Hüfte und zieht sie leicht an sich. Sie lächelt und küsst ihn.
»Wir gehen, wohin du willst.«
In der Diskothek hat Manolo die Partnerin gewechselt und tanzt jetzt mit Carmen, obwohl sie eigentlich nicht tanzen, sondern sich an die Wand lehnen und knutschen. Manolo drückt sich an sie und reibt seinen Körper gegen den ihren, der sich ihm so bereitwillig entgegenbiegt, wie Marga es nie getan hat. Er fühlt sich wie ein Luftballon: stramm, straff, zum Platzen gespannt, und aus dem Augenwinkel sieht er, dass sich auch die anderen mittlerweile in einem ähnlichen Zustand befinden. Auf den Sofas in den finstersten Winkeln liegen Paare und beschäftigen sich auf ähnliche Weise, nur in der Horizontalen. Kein Lehrer ist in Sicht.
Auch Tere hat lange genug das brave Mädchen gespielt und küsst den großen Dunkelhaarigen, mit dem sie den ganzen Abend verbracht hat. Ein ungewöhnliches Paar in einer Ecke erregt Manolos Aufmerksamkeit, und er löst sich für einen Moment von Carmen, weil er seinen Augen nicht traut. Marga und Candela sind eng umschlungen und in einer Weise zärtlich miteinander, die nicht normal sein kann. Er hat oft gesehen, dass eine Freundin die andere in die Arme nimmt, um sie zu trösten, wenn sie durch ein Examen gefallen ist oder mit ihrem Freund Schluss gemacht hat, aber noch nie hat er zwei Frauen tun sehen, was die beiden tun. Carmen streckt die Arme nach ihm aus, und die Art, mit der sie sich an ihn schmiegt, ist ihm plötzlich unangenehm.
»Gehen wir«, sagt er und zieht sie hinter sich her. »Nichts wie weg hier. Dagegen muss man etwas unternehmen. Das müssen wir Don Telmo sagen.«
»Was denn?«, fragt Carmen atemlos und zieht ihr Kleid zurecht.
»Was hier … was hier für Schweinereien laufen …«
»Manolo, Manolo, warte … wo willst du denn hin?«
Doch Manolo hört sie schon nicht mehr, will sie nicht mehr hören. Rempelnd bahnt er sich seinen Weg, schert sich nicht um zu Boden fallende Gläser oder Füße, auf die er tritt, während Carmen ihm ängstlich und verständnislos nacheilt.
Im Vorraum treffen sie auf den Direktor, der wutentbrannt hereinstürmt und Manolo kaum zu Wort kommen lässt.
»Kommen Sie schnell, Don Telmo! Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»Was ist denn hier los? Da draußen sind drei Mädchen völlig aus dem Häuschen, heulen wie die Schlosshunde und schimpfen wüst auf die Männer. Und ihr, was zum Teufel habt ihr?«
»Welche Mädchen?«, fragt Carmen mit trockenem Mund.
»Ana, Sole und Magda. Meine Frau ist bei ihnen. Los! Wir gehen! Ihr habt euch genug amüsiert.«
Carmen hastet hinaus in den Garten, und Manolo begleitet den Direktor, wobei er sich wichtig und rechtschaffen fühlt, wie ein Mann, der weiß, dass er sich korrekt verhält.
Als sie in die Diskothek kommen, tanzen Marga und Candela mit zwei Männern, Tere knutscht immer noch mit demselben, und die übrigen Jungen schmusen mit Ausländerinnen. Manolo sieht, dass der Moment verpasst ist, will aber nicht auf seine Rache verzichten.
»Sie haben sich befummelt, Don Telmo«, schreit er fast, um sich Gehör zu verschaffen.
»Das sehe ich«, sagt der Direktor, die Augen scharf auf Tere gerichtet.
»Nein. Marga und Candela.«
Don Telmo durchbohrt weiter seine Lieblingsschülerin mit dem Blick, und noch bevor sie ihn bemerkt hat, zetert er unvermittelt los.
»Huren! Ihr seid alle Huren! Raus hier! Alle raus hier, verdammt noch mal!«
Obwohl die Musik noch genauso laut ist, haben alle das Gefühl, als wäre es plötzlich still geworden. Nach und nach lassen die Jungen und Mädchen ihre Partnerinnen und Partner los und gehen aus dem Saal, vorbei an dem zornbebenden
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