Töchter des Windes: Roman (German Edition)
gerichtlichen Konsequenzen für uns.«
»Sie hätten den Brief doch einfach ignorieren können«, sagte Gray.
»Das haben wir auch überlegt. Und auf den ersten Brief haben wir ja auch tatsächlich nicht reagiert. Aber als Brianna ein zweites Mal an uns schrieb, hatten wir das Gefühl, etwas
tun zu müssen.« Er errötete, was dafür sprach, daß er zumindest ein gewisses Gefühl für Anstand besaß. »Es ist peinlich, es zuzugeben, aber ich hatte die Aktie mit meinem richtigen Namen unterzeichnet. Aus Arroganz, nehme ich an, und außerdem hatte ich meinen richtigen Namen damals nicht benutzt. Doch wäre es bestimmt recht unangenehm geworden, hätten Sie die Aktie nun den Behörden vorgelegt.«
»Es ist, wie du gesagt hast«, murmelte Brianna und starrte Gray mit großen Augen an. »Fast genauso, wie du gesagt hast.«
»Ich bin eben gut«, murmelte er, tätschelte ihre Hand und sagte, an Smythe-White gewandt: »Also kamen Sie nach Blackthorn, um sich dort ein bißchen umzusehen.«
»Genau. Iris konnte nicht mitkommen, weil wir gerade eine Lieferung wunderschöner Chippendale-Möbel erwarteten. Zugegebenermaßen hat es mir richtiggehend Spaß gemacht, noch einmal in mein altes Leben einzutauchen. Es war wie eine Reise in die Vergangenheit, wie ein kleines Abenteuer für mich. Ich war ganz begeistert von Ihrem Haus und mehr als beunruhigt, als ich erfuhr, daß Rogan Sweeney Ihr Schwager ist. Schließlich ist sein ausgeprägter Geschäftssinn berüchtigt. Ich hatte Sorge, daß er sich der Sache annehmen könnte, und so sah ich mich, als sich die Gelegenheit ergab, ein bißchen nach der Aktie um.«
Er drückte Brianna die Hand. »Ich möchte mich bei Ihnen für das Durcheinander und die Unannehmlichkeiten entschuldigen. Aber schauen Sie, ich konnte nicht wissen, wie lange ich alleine war. Ich hatte gehofft, ich fände die Aktie, und damit wäre die ganze unglückselige Angelegenheit aus der Welt geschafft. Aber . . .«
»Ich hatte Rogan gebeten, die Aktie für mich aufzubewahren«, erklärte Brianna ihm.
»Aha. So etwas hatte ich befürchtet. Nur seltsam, daß er mir nicht auf die Schliche gekommen ist.«
»Seine Frau erwartete ein Baby, und außerdem stand die Eröffnung seiner neuen Galerie bevor.« Brianna unterbrach sich, denn sie merkte, daß sie ihren Schwager beinahe entschuldigte. »Ich kann mich durchaus selbst um solche Dinge kümmern, ohne daß es männlicher Unterstützung bedarf.«
»Diese Erkenntnis kam mir bereits wenige Stunden, nachdem ich im Blackthorn Cottage angekommen war. Ein organisierter Mensch wie Sie ist gefährlich für Leute mit meinem Metier. Nach meiner Abreise kam ich zurück, weil ich hoffte, ich bekäme vielleicht die Gelegenheit, mich noch einmal genauer bei Ihnen umzusehen, aber als Ihr Hund und Ihr heldenhafter Dauergast in den Garten kamen, blieb mir nur noch die Flucht.«
Brianna reckte das Kinn. »Sie haben durch das Fenster meines Schlafzimmers gesehen.«
»Ohne jeden Hintergedanken, das verspreche ich. Meine Liebe, ich bin alt genug, um Ihr Vater zu sein, und obendrein glücklich verheiratet.« Er schnaubte, als hätte sie ihn in seiner Ehre gekränkt. »Nun, ich habe Ihnen angeboten, die Aktie zurückzukaufen, und dieses Angebot gilt immer noch.«
»Für zehn Pence pro Anteil«, stellte Gray trocken fest.
»Das ist das Doppelte von dem, was von Tom Concannon bezahlt worden ist. Falls Sie Beweise brauchen, habe ich die Belege dabei.«
»Oh, ich bin sicher, daß jemand mit Ihrem Talent jedes Papier aus dem Ärmel zaubern kann, das er gerade braucht.«
Smythe-White stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Ich bin sicher, Sie haben das Gefühl, zu derartigen Anschuldigungen berechtigt zu sein.«
»Ich denke, außer uns hätte sicher auch die Polizei großes Interesse an einem Mann mit Ihrem Talent.«
Ohne den Blick von Gray abzuwenden, trank Smythe-White eilig einen Schluck von seinem Bier. »Was hätte denn das für einen Sinn, wenn man zwei alte Menschen, brave
Steuerzahler, ordentlich verheiratet, ruinieren würde, indem man sie für vergangene Sünden ins Gefängnis steckt?«
»Sie haben andere Menschen betrogen«, fuhr Brianna ihn an. »Sie haben meinen Vater betrogen.«
»Ich habe Ihrem Vater das gegeben, wofür er bezahlt hat, Brianna. Einen Traum. Er war ein glücklicher Mann, denn wie zu viele andere Menschen auch, hoffte er, reich zu werden, ohne allzuviel dafür zu tun.« Er lächelte sanft. »Und im Grunde war diese Hoffnung alles, was er wollte,
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