Töchter des Windes: Roman (German Edition)
hatte ihre Ruhe, ihre Gelassenheit, ihren geradezu unerschütterlichen Charme. »Ich komme lieber runter. Ich bin fast fertig mit meinem heutigen Arbeitsprogramm.«
»Also dann, in einer Stunde.«
Sie ging hinaus, zog leise die Tür hinter sich ins Schloß und ließ Gray allein vor dem Computer zurück, wo er lange Zeit reglos auf die kurze Widmung starrte, die ihm in leuchtenden Buchstaben vom Bildschirm entgegensprang.
Nach einer Stunde wurde Gray von Gelächter und fröhlichen Stimmen statt in die Küche ins Wohnzimmer gelockt. Briannas Gäste waren um den Tisch versammelt und machten sich begierig über die von ihr servierten Köstlichkeiten her. Brianna selbst stand neben dem Tisch und wiegte sanft das Baby, das an ihrer Schulter schlummerte.
»Mein Neffe Liam«, klärte sie die Besucher gerade auf. »Ich passe vorübergehend auf ihn auf. Oh, Gray.« Strahlend wandte sie sich ihm zu. »Sieh nur, wen ich hier habe.«
»Ich habe es schon gesehen.« Gray trat zu ihr und strich dem Baby über das Gesicht, worauf dieses langsam die Augen
öffnete und Gray einer blinzelnden Musterung unterzog. »Er sieht mich immer an, als wisse er über all meine Sünden genau Bescheid. Furchterregend.«
Mit diesen Worten ging Gray zum Tisch hinüber, doch noch während er die feinen Dinge auf den Schüsseln und Tellern betrachtete, bemerkte er, daß Brianna aus dem Zimmer glitt. Kurz vor der Küchentür holte er sie ein. »Wo willst du hin?«
»Ich lege das Baby schlafen.«
»Warum?«
»Maggie hat gesagt, daß er bestimmt ein Nickerchen machen will.«
»Maggie ist nicht hier.« Er nahm ihr Liam ab. »Und wir haben ihn selten genug.« Er zog Grimassen, was ihm mindestens ebenso wie dem Baby gefiel. »Wo ist Maggie überhaupt?«
»Sie hat ihren Ofen angestellt. Rogan mußte in die Galerie, also ist sie sofort hierhergeeilt.« Lachend beugte sie sich über das vergnügte Kindergesicht. »Ich dachte schon, es würde nie passieren. Endlich habe ich dich einmal ganz für mich allein«, murmelte sie, doch als sie an der Tür ein Klopfen vernahm, richtete sie sich auf. »Halt immer schön sein Köpfchen fest«, sagte sie zu Gray, während sie zur Haustür ging.
»Ich weiß, wie man ein Baby hält. Frauen«, sagte er zu Liam. »Sie trauen uns einfach nichts zu. Sie denken, daß du ein kleines, hilfloses Wesen bist, mein Junge, aber wart’s nur ab. In ein paar Jahren werden sie dahinterkommen, daß der Sinn deines Lebens darin besteht, kleine elektrische Geräte zu bauen, in denen man Käfer umbringen kann.«
Da niemand in der Nähe war, beugte er sich über Liam und gab ihm einen Kuß. Woraufhin der Kleine den Mund zu einem Lächeln verzog.
»So ist’s richtig. Warum gehen wir nicht einfach in die Küche und . . .«
Als er Briannas überraschten Ruf vernahm, verstummte er, bettete Liam in seine Armbeuge und eilte den Korridor hinab.
Er kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie, eine braune Melone in der Hand und ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht, Carstairs über die Schwelle trat. »Grayson, wie schön, Sie wiederzusehen. Ich war mir nicht sicher, ob Sie noch hier sind. Und was ist das?«
»Ein Baby«, war Grays knappe Erwiderung.
»Natürlich.« Carstairs kitzelte Liam unter dem Kinn und stieß eine Reihe lächerlicher Geräusche aus. »Hübsches Kerlchen. Ich muß sagen, daß er Ihnen ähnlich sieht, Brianna. Um den Mund herum.«
»Er ist der Sohn meiner Schwester. Und was führt Sie nach Blackthorn, Mr. Carstairs?«
»Wir waren auf der Durchreise, und ich habe Iris so viel von dem hübschen Cottage und der reizenden Umgebung erzählt, daß sie es unbedingt selbst sehen wollte. Sie sitzt noch im Wagen.« Er winkte in Richtung des Bentley, der vor der Gartenpforte stand. »In der Tat hatten wir gehofft, Sie hätten vielleicht ein Zimmer für uns.«
Sie starrte ihn entgeistert an. »Sie wollen hier wohnen, hier bei mir?«
»Vielleicht war es unvernünftig von mir, aber ich habe ständig Ihre Kochkünste gelobt.« Er beugte sich vertraulich vor. »Ich fürchte, zu Anfang war Iris deshalb ein bißchen böse auf mich. Wissen Sie, sie kocht ebenfalls sehr gut. Und jetzt will sie wissen, ob ich vielleicht übertrieben habe.«
»Mr. Carstairs, Sie sind ein schamloser Mensch.«
»Das mag sein, meine Liebe«, sagte er und blinzelte vergnügt. »Das mag sein.«
Sie stieß einen resignierten Seufzer aus. »Tja, dann lassen Sie die arme Frau am besten nicht länger im Wagen sitzen. Bringen Sie sie herein. Ich habe
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