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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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wieder vergaß. Wahrscheinlich hätte Jace überhaupt nicht darauf geachtet, so wie die Mehrzahl der Angelinos nicht darauf geachtet hätte. Niemand scherte sich um einen ganz normalen, langweiligen Mord. Die geschahen jeden Tag. Da musste schon etwas mehr dran sein. Etwas Außergewöhnliches, Schräges und/oder eine Berühmtheit.
    Jace fragte sich, ob die Leute auf den Negativen, die an seinem Bauch klebten, vielleicht berühmt waren. Irgendein Prominenter, der wegen seines abweichenden sexuellen Verhaltens erpresst wurde. Eine dieser anrüchigen Geschichten, die die dunkle Seite von L.A. ausmachten, Stadt der Engel, Stadt des Lasters. Es kam auf den Betrachter an, und darauf, was er betrachtete.
    Der Stausee lag vor ihm wie ein riesiger, bleigrauer Spiegel, der die schweren Wolken reflektierte und an den Stellen, an denen die Strahlen der tief stehenden Sonne auf ihn trafen, metallisch schimmerte. Der Himmel im Westen hatte die Farbe von geschmolzener Lava, über die sich langsam eine purpurfarbene Dämmerung senkte. Bald würde alles im Meer versinken und Dunkelheit würde sich wie ein Mantel über die Stadt legen. Er würde nach Hause fahren, vielleicht schaffte er es sogar, sich im Finstern unbemerkt die Treppe hinaufzuschleichen und Madame Chens prüfendem Blick zu entgehen.
    Er wollte nach Hause, wollte zu Hause sein und dort bleiben oder seine Bücher in eine Tasche werfen und mit einem Zug der Gold Line zu seinem Seminar in Sozialwissenschaft am City College in Pasadena fahren. Er wollte etwas Normales tun. Er wollte Tyler bei seinen Hausaufgaben helfen, fernsehen, Popcorn machen. Vielleicht sollte er das tun, überlegte er. Lennys Päckchen an Abby schicken, sich einen neuen Job suchen, noch mal von vorn anfangen, so tun, als ob das alles gar nicht geschehen wäre.
    Als er sich hinter das Lenkrad setzte und nach dem Zündschlüssel griff, fing das Funkgerät auf dem Beifahrersitz an zu knistern, dann ertönte Etas Stimme. »Zentrale an Sechzehn. Zentrale an Sechzehn. Wo bist du, Baby?«
    Jace streckte die Hand aus und berührte das Funkgerät, strich mit dem Finger über die Sprechtaste, drückte sie jedoch nicht. Er traute sich nicht.
    »Zentrale an Sechzehn. Wo steckst du, Lone Ranger? Du solltest zu Mama nach Hause kommen, Herzchen. Und zwar bald. Hast du verstanden? Ich hab noch Geld für dich. Bitte melden.«
    »Ich bin in einen Albtraum geraten, Eta«, murmelte er. »Ich gehe nach Hause.«

17
    »Was Abby Lowell uns vom Cicada erzählt hat, stimmt«, verkündete Ruiz, als Parker vom Parkplatz her auf sie zukam. Sie stand vor dem Revier und rauchte im Schutz des Eingangs eine Zigarette. Es hatte wieder angefangen zu regnen, vereinzelte, dicke Tropfen.
    »Was haben Sie in dem Restaurant sonst noch herausgefunden?«
    »Dass es dort einen wunderbaren Birnensalat gibt«, sagte sie.
    »Haben Sie den Weinkeller auch getestet?«
    »Nein, aber ich habe eine Verabredung mit einem wirklich niedlichen Kellner«, sagte sie angeberisch. »Er ist der nächste Brad Pitt.«
    »Sind sie das nicht alle? Haben Sie mit dem Maître gesprochen, der gestern Abend Schicht hatte?«
    »Ja. Er sagte, dass sie ungeduldig wirkte, dauernd auf die Uhr gesehen hat.«
    »War sie nervös? Hat sie geweint? Sah sie verstört aus?«
    »Er sagte nur ungeduldig. Sie hatten viel zu tun.«
    »Was ist mit dem Kellner, der sie am Tisch bedient hat?«
    Sie schüttelte den Kopf. »So weit kam es gar nicht. Der Maître führte sie an die Bar. Der Barkeeper sagt, dass sie einen Wodka Tonic bestellt hat. Ein paar Typen haben versucht, sie anzubaggern. Sie hatte kein Interesse. Er sah sie ein paarmal telefonieren. Sie hat ihm ein gutes Trinkgeld gegeben, aber er hat sie nicht weggehen sehen.«
    Parker runzelte die Stirn und blickte in die rasch aufziehende Abenddämmerung. »Ich will eine Aufstellung ihrer Telefongespräche, zu Hause und mit dem Handy.«
    »Sie glauben, dass sie etwas damit zu tun hatte?«, fragte Ruiz verblüfft.
    »Ich habe sie heute Morgen im Büro ihres Vaters erwischt. Sie behauptete, sie sei auf der Suche nach der Police für seine Lebensversicherung und seinem Testament.«
    »Das ist gefühllos, nicht kriminell.«
    »Sie hat unerlaubt einen abgesperrten Tatort betreten«, sagte Parker. »Und sie ging ohne Versicherungspolice, dafür aber mit ein paar Unterlagen und dem Schlüssel zu einem Schließfach bei der City National Bank. Nachdem sie das Büro verlassen hatte, ist sie direkt dorthin gefahren und hat versucht, sich

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