Tödliche Absicht
Job. Obwohl ich ihren Plan nicht verstehe. Sie waren in der Kirche – und ihr Gewehr befand sich hundert Meter davon entfernt.«
»Wart’s ab, bis wir wissen, welches Gewehr dort gefunden wurde. Vielleicht wird dann alles klar.«
Die Gulfstream erreichte die Startbahn und beschleunigte. Hob dann ab und stieg steil in den wolkenlosen Himmel hinauf. Fünf Minuten später wurde der Triebwerkslärm leiser, und Reacher hörte, wie die Journalisten den Vizepräsidenten in ein Gespräch über Außenpolitik verwickelten. Sie stellten keine Fragen wegen seiner vorzeitigen Rückkehr.
Um achtzehn Uhr Ortszeit setzten sie auf der Andrews AFB auf. In der Stadt war es ruhig. Schon am frühen Nachmittag hatte das lange Thanksgiving-Wochenende begonnen. Die Wagenkolonne fuhr auf der Branch Avenue geradewegs nach Washington hinein, durchs Zentrum und dann nach Georgetown hinaus. Armstrong wurde durch das weiße Zelt in sein Haus geleitet. Dann wendeten die Wagen und fuhren in die Tiefgarage des Secret Service zurück. Stuyvesant war nicht im Haus. Reacher und Neagley folgten Froelich in ihr Büro, wo sie das Ergebnis ihrer NCIC-Suche abfragte. In der obersten Zeile ihres Bildschirms war vermerkt, dass die Software fünf Stunden und dreiundzwanzig Minuten lang gesucht und nicht weniger als 243791 Einträge gefunden hatte. Alles, in dem auch nur zwei Begriffe wie Daumenabdruck, Dokument, Brief, Unterschrift oder Signatur vorkamen, war sorgfältig aufgeführt. Die Liste begann vor fast zwanzig Jahren und enthielt für jeden der seither vergangenen 7305 Tage durchschnittlich über dreißig Einträge. Froelich las das erste Dutzend Berichte und klickte dann willkürlich ausgewählte Einträge an. Sie fand nichts, was auch nur entfernt brauchbar gewesen wäre.
»Wir müssen die Suchkriterien eingrenzen«, meinte Neagley. Sie ging neben Froelich in die Hocke und zog die Tastatur zu sich heran. Speicherte die bisherigen Suchergebnisse ab, rief die Dialogbox auf, tippte Daumenabdruck als Signatur ein, griff nach der Maus und klickte auf Suche. Die Festplatte surrte, und die Dialogbox verschwand. Dann klingelte das Telefon. Froelich nahm den Hörer ab. Hörte kurz zu und legte auf.
»Stuyvesant ist da«, sagte sie. »Er hat den vorläufigen FBI-Bericht über das Gewehr. Wir sollen in den Konferenzraum kommen.«
»Heute hätten wir beinahe verloren«, sagte Stuyvesant.
Er saß an der Schmalseite des Konferenztischs, vor sich ein mehrseitiges Fax. Die Seiten waren eng beschrieben, doch die Schrift war durch die Übermittlung leicht verwischt. Reacher konnte das auf dem Kopf stehende Deckblatt lesen. Links befand sich ein kleines Amtssiegel, und rechts daneben stand in zwei Zeilen U. S. Department of Justice, Federal Bureau of Investigation.
»Der erste Faktor war die unversperrte Kirchentür«, fuhr Stuyvesant fort. »Das FBI vermutet, dass das Schloss irgendwann am frühen Morgen mit einem Dietrich geöffnet worden ist. Ein Kind hätte es mit einer Stricknadel aufbekommen. Wir hätten die Tür vorübergehend mit einem Vorhängeschloss sichern müssen.«
»War nicht zu machen«, erklärte Froelich. »Die Kirche steht unter Denkmalschutz. Darf nicht verändert werden.«
»Dann hätten Sie den Veranstaltungsort wechseln müssen.«
»Ich hab schon beim ersten Mal Alternativen gesucht. Die waren noch schlimmer.«
»Sie hätten einen Agenten auf dem Dach postieren sollen«, warf Neagley ein.
»Kein Geld«, sagte Stuyvesant. »Bis nach der Amtseinführung.«
»Wenn er die erlebt«, meinte Neagley.
»Was für ein Gewehr hat man gefunden?«, fragte Reacher.
Stuyvesant richtete die Blätter vor sich aus. »Was vermuten Sie?«
»Eine Wegwerfwaffe«, antwortete Reacher. »Ein Gewehr, das sie ohnehin nie benutzen wollten. Meiner Erfahrung nach ist etwas, das so leicht gefunden wird, dazu bestimmt, leicht gefunden zu werden.«
Stuyvesant nickte. »Das Ding lässt sich kaum als Gewehr bezeichnen. Ein uraltes Gewehr Kaliber 22 zur Schädlingsbekämpfung. Schlecht erhalten, rostig, vermutlich seit einer Generation nicht mehr verwendet. Es war nicht geladen, und in der Tragetasche ist keine Munition gefunden worden.«
»Besondere Kennzeichen?«
»Keine.«
»Fingerabdrücke?«
»Natürlich auch keine.«
Reacher nickte. »Köder.«
»Die unversperrte Tür ist ein deutlicher Hinweis«, sagte Stuyvesant. »Was haben Sie zum Beispiel getan, als Sie reingegangen sind?«
»Ich hab die Tür hinter mir abgesperrt.«
»Warum?«
»Für
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