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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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draußen. »Vielleicht ist eine deiner Nachbarinnen eine alte Dame, die Pullover strickt. Willst du zu ihr gehen und sagen: O Gott, was ist mit Ihnen los? Ich kann nicht glauben, dass Sie es tatsächlich wagen, Pullover zu stricken.«
    »Du setzt bewaffneten Kampf mit Pulloverstricken gleich?«
    »Ich will nur sagen, dass wir alle auf irgendeinem Gebiet gut sind. Und ich bin es eben auf diesem. Vielleicht ist es das Einzige, auf dem ich gut bin. Ich bin darauf nicht stolz, aber ich schäme mich auch nicht dafür. Das ist einfach eine Tatsache . Dafür kann ich nichts. Ich bin genetisch darauf programmiert zu siegen – das ist alles. Seit mehreren Generationen.«
    »Joe hatte dieselben Gene.«
    »Nein, er hatte dieselben Eltern. Das ist etwas anderes.«
    »Ich kann nur hoffen, dass dein Selbstvertrauen begründet ist.«
    »Das ist es. Vor allem jetzt, wo Neagley mich unterstützt. Auch sie lässt mich wie Liberace aussehen.«
    Froelich sah weg. Schwieg.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Sie liebt dich.«
    »Quatsch.«
    Froelich sah ihm ins Gesicht. »Woher willst du das wissen?«
    »Sie hat sich nie für mich interessiert.«
    Froelich schüttelte den Kopf.
    »Ich hab erst neulich mit ihr darüber gesprochen«, sagte er. »Sie hat mir klipp und klar gesagt, dass sie sich nie für mich interessiert hat.«
    »Und das hast du ihr geglaubt?«
    »Sollte ich das etwa nicht?«
    Froelich sagte nichts. Reacher lächelte.
    »Du glaubst, dass sie sich doch für mich interessiert?«
    »Du lächelst genau wie Joe«, antwortete sie. »Ein bisschen schüchtern, ein bisschen schief. Das schönste Lächeln, das ich je gesehen habe.«
    »Du bist noch immer nicht über ihn hinweg, stimmt’s?«, sagte er. »Um das zu merken, muss man kein Hellseher sein.«
    Sie gab keine Antwort, stieg aus und ging weg. Er folgte ihr. Die Luft war feuchtkalt. Er konnte den Fluss und von irgendwoher Kerosin riechen. Sie erreichten ihr Haus. Froelich sperrte die Tür auf.
    Auf dem Fußboden der Diele lag ein Blatt Papier.

12
     
    Es war ein Blatt des vertrauten sehr weißen Schreibmaschinenpapiers, das exakt parallel zu den Fugen der Eichendielen in der Nähe der Treppe lag. Auf dem Blatt stand eine kurze Nachricht in der bekannten Computerschrift: Times New Roman, zwanzig Punkte, fett. Die Mitteilung bestand aus nur vier Wörtern, die auf zwei zentrierte Zeilen etwas oberhalb der Blattmitte verteilt waren: Es wird bald passieren. Die drei Wörter Es wird bald nahmen die erste Zeile ein; das Wort passieren stand auf der zweiten Zeile. Als sei der Text aus dramaturgischen Gründen geteilt worden, als sollte zwischen den Zeilen ein Trommelwirbel oder ein Gongschlag eingefügt werden. Es wird bald … wumm! … passieren. Reacher starrte die Nachricht an. Sie wirkte fast hypnotisch. Es wird bald passieren. Es wird bald passieren.
    »Nicht anfassen«, sagte Froelich.
    »Hatte ich nicht vor«, entgegnete Reacher.
    Er trat nochmals aus der Haustür und kontrollierte die Straße. Alle in der Nähe geparkten Autos waren leer, alle Fenster der umliegenden Häuser geschlossen, die Vorhänge zugezogen. Keine Fußgänger. Alles war still. Er ging ins Haus zurück und schloss vorsichtig die Tür, damit das Blatt nicht durch einen Luftzug wegwehte.
    »Wie sind die hier reingekommen?«, fragte Froelich.
    »Durch eine Tür«, antwortete Reacher. »Wahrscheinlich durch die in der Küche.«
    Froelich zog die SIG-Sauer aus dem Halfter. Gemeinsam gingen sie durchs Wohnzimmer und in die Küche hinaus. Die Tür zum Garten war geschlossen, aber unversperrt. Reacher öffnete sie zu einem Drittel. Suchte die nähere Umgebung ab, ohne irgendwas zu sehen. Öffnete die Tür dann ganz, damit das Licht in der Küche auf ihre Außenseite fiel. Beugte sich nach vorn und begutachtete die Schlossplatte.
    »Kratzer«, sagte er. »Sehr kleine. Die Typen sind ziemlich gut.«
    »Sie befinden sich hier in Washington«, erklärte sie, »und nicht in einer Bar im Mittleren Westen.«
    Sie starrte von der Küche ins Wohnzimmer.
    »Das Telefon«, sagte sie.
    Es stand nicht an seinem gewohnten Platz auf dem Tischchen neben dem Sessel am Kamin.
    »Sie haben mein Telefon benützt«, sagte sie.
    »Um mich anzurufen, denke ich«, sagte Reacher.
    »Fingerabdrücke?«
    Er schüttelte den Kopf. »Handschuhe.«
    »Sie waren in meinem Haus«, sagte sie fassungslos.
    Froelich trat an die Anrichte, sah nach unten und riss dann eine Schublade auf.
    »Sie haben meine Pistole geklaut«, sagte sie. »Ich hatte hier

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