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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Lagerhäusern entlangführenden Zufahrt vorbei. Vor sich auf den Gleisen konnte er einen einfahrenden Zug hören. Am Ende der Zufahrt hielt ein Washingtoner Cop – der Straße zugewandt – Wache. In seiner Nähe parkte ein Streifenwagen, in dem ein weiterer Cop saß. Überall wimmelte es von Cops. Die Überstundenrechnung würde sich sehen lassen können.
    Hier und da gab es heruntergekommene Geschäfte, die aber genau wie die sich in einigen Ladenlokalen befindlichen Kirchen geschlossen waren. In der Nähe der Bahngleise lagen Autowerkstätten, in denen Stille herrschte, und ein kleines Pfandhaus, vor dem ein alter Mann dabei war, die Scheiben zu putzen. Außer ihm bewegte sich auf der gesamten Straße nichts. Der Laden des Pfandleihers war hoch und schmal und hatte Scherengitter vor den Schaufenstern. Die Auslagen waren mit allem möglichen Kram voll gestopft. Es gab Uhren, Mäntel, Musikinstrumente, Radiowecker, Hüte, Plattenspieler, Autoradios, Ferngläser und Lichterketten für Weihnachtsbäume. An den Schaufenstern stand, dass hier – außer Kraftfahrzeuge und Immobilien – praktisch alles angenommen würde. Außerdem bot der Mann auch Dienstleistungen, wie zum Beispiel die Einlösung von Schecks, das Schätzen von Schmuck und die Reparatur von Uhren, an. In einem Schaufenster war ein Tablett mit hauptsächlich altmodischen mechanischen Uhren mit gewölbtem Glas, riesigen Leuchtziffern und ziselierten Zeigern ausgestellt. Annahme von Uhrreparaturen, las Reacher noch einmal. Dann fiel sein Blick wieder auf den alten Mann, dessen Arme bis zu den Ellbogen in Seifenschaum steckten.
    »Sie reparieren Uhren?«, fragte er.
    »Was haben Sie denn?«, wollte der alte Mann wissen. Er sprach mit starkem Akzent. Anscheinend war er Russe.
    »Eine Frage«, antwortete Reacher.
    »Ich dachte, Sie wollten eine Uhr reparieren lassen. Das war früher mein Beruf. Bevor es Quarzuhren gegeben hat.«
    »Meine Uhr läuft gut«, meinte Reacher. »Sorry.«
    Er schob den linken Ärmel zurück, um auf seine Uhr zu sehen. Viertel nach elf.
    »Lassen Sie mal sehen«, sagte der alte Mann.
    Reacher hielt ihm sein Handgelenk hin.
    »Bulova«, erklärte der alte Mann. »Amerikanische Militäruhr aus der Zeit vor dem Golfkrieg. Eine gute Uhr. Haben Sie die einem Soldaten abgekauft?«
    »Nein, ich war selbst einer.«
    Der alte Mann nickte. »Ich auch – in der Roten Armee. Wie lautet die Frage?«
    »Haben Sie schon mal von Squalin gehört?«
    »Das ist ein Schmiermittel.«
    »Eines, das Sie verwenden?«
    »Manchmal. Ich repariere jetzt nicht mehr viele Uhren.«
    »Wo bekommen Sie es her?«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Nein«, sagte Reacher. »Ich meine die Frage ernst.«
    »Sie wollen wissen, wo ich mein Squalin herkriege?«
    »Dazu sind Fragen da. Zur Informationsbeschaffung.«
    Der alte Mann grinste. »Ich trage es mit mir herum.«
    »Wo?«
    »Sie sehen es gerade an.«
    »Tu ich das?«
    Der Alte nickte. »Und ich sehe Ihren an.«
    »Meinen was?«
    »Ihren Vorrat an Squalin.«
    »Ich habe kein Squalin«, sagte Reacher. »Es kommt aus Haifischlebern. Bin schon lange mit keinem Hai mehr zusammen gewesen.«
    Der Alte schüttelte den Kopf. »Sehen Sie, das sowjetische System wurde sehr oft kritisiert, und ich habe mit der Wahrheit nie hinterm Berg gehalten, das dürfen Sie mir glauben. Aber wir hatten wenigstens eine anständige Schulbildung. Vor allem auf naturwissenschaftlichem Gebiet.«
    »C-dreißig-H-fünfzig«, sagte Reacher. »Ein acrylischer Kohlenwasserstoff, der durch Hydrierung zu Squalan mit einem a wird.«
    »Verstehen Sie davon was?«
    »Nein«, antwortete Reacher. »Eigentlich nicht.«
    »Squalin ist ein Öl«, sagte der Alte. »In natürlicher Form kommt es in unserer Biosphäre nur an zwei Stellen vor. Die eine ist die Leber von Haien, die andere sind die Talgdrüsen der Haut in der Umgebung menschlicher Nasen.«
    Reacher berührte seine Nase. »Dasselbe Zeug? Haifischleber und menschliche Nasen?«
    Der Alte nickte. »Identische Molekularstruktur. Brauche ich also Squalin, um ein Uhrwerk zu schmieren, tupfe ich’s einfach mit der Fingerspitze ab. Sehen Sie her.«
    Er wischte seine nasse Hand am Hosenbein ab und rieb mit dem Zeigefinger über das untere Ende seines Nasenflügels. Dann hielt er die Fingerspitze hoch, damit Reacher sie sehen konnte.
    »Tun Sie das auf ein Zahnrad, dann ist alles geritzt«, erklärte er.
    »Verstehe«, sagte Reacher.
    »Wollen Sie die Bulova verkaufen?«
    Reacher schüttelte den Kopf.

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