Tödliche Absicht
eine Waffe zieht und durch eines der Fenster nach draußen schießt?«
Sie nickte. »Daran habe ich schon gedacht«, erwiderte sie. »Ich ziehe drei Cops aus dem äußeren Sicherungsring ab und stelle im Speisesaal vor jedes Fenster einen, der den Raum beobachtet.«
»Das müsste reichen«, meinte er. »Klasse gemacht.«
»Und wir tragen Westen«, fuhr sie fort. »Jeder, der sich in der Box aufhält. Auch die Armstrongs.«
Sie sah nochmals auf ihre Uhr. »Fünfundvierzig Minuten. Kommst du mit?«
Sie verließen den Hof und gingen über die Straße zu Froelichs Suburban. Er stand im tiefen Schatten, den das Lagerhaus warf. Sie öffnete die Heckklappe. Der Schatten und die getönten Scheiben verdunkelten das Innere des Wagens. Der Laderaum war mit sorgfältig verstauten Ausrüstungsgegenständen voll gepackt, der Rücksitz jedoch leer.
»Wir könnten uns reinsetzen«, schlug Reacher vor. »Du weißt schon, ein bisschen herumalbern.«
»Das könnten wir nicht.«
»Du hast gesagt, es mache Spaß, am Arbeitsplatz herumzualbern.«
»Ich hab das Büro gemeint.«
»Ist das eine Einladung?«
Sie zögerte. Lächelte.
»Okay«, sagte sie. »Warum nicht? Vielleicht würde mir das wirklich Spaß machen.«
Dann wurde ihr Lächeln breiter.
»Okay«, sagte sie wieder. »Sobald Armstrong außer Gefahr ist, machen wir’s auf Stuyvesants Schreibtisch. Zur Feier des Tages.«
Sie holte ihre Weste heraus und küsste ihn auf die Wange. Dann machte sie sich auf den Rückweg. Er knallte die Heckklappe zu, und sie verriegelte sie aus zwölf Metern Entfernung mit der Fernbedienung.
Bei X minus dreißig zog sie die Kevlarweste unter ihre Jacke an und kontrollierte alle Funkverbindungen. Sie teilte dem Einsatzleiter der Polizei mit, seine Leute könnten damit beginnen, aus der sich drängelnden Menge am Eingang eine Warteschlange zu bilden. Erteilte den Kamerateams die Erlaubnis, auf den Hof zu kommen und mit ihrer Arbeit anzufangen. Bei X minus fünfzehn verkündete sie, die Armstrongs seien unterwegs.
»Bringt das Essen raus!«, rief sie.
Küchenpersonal schwärmte in die Box, und Köche reichten Kasserollen mit Essen aus dem Fenster. Am Ende der Tischreihe lehnte Reacher außerhalb der Box an der Mauer des Obdachlosenheims. Seine Schultern berührten die Klinkerwand zwischen dem Küchenfenster und dem ersten Fenster des Speisesaals. Von diesem Platz aus hatte er die Essensausgabe genau im Blick. Drehte er den Kopf halb nach links, konnte er die Wartenden beobachten. Mit einer leichten Kopfdrehung nach rechts sah er die Box. Die Leute würden mit ihren vollen Tellern um ihn herumgehen müssen. Er wollte sie aus der Nähe begutachten. Zwei Meter von ihm entfernt hatte Neagley sich auf dem Hof in dem Winkel postiert, den die von der Polizei aufgestellten Absperrungen bildeten. In ihrer Nähe marschierte Froelich nervös auf und ab, während sie zum hundertsten Mal die letzten Kontrollen überprüfte.
»Ankunft steht bevor«, sagte sie in ihr Mikrofon am Handgelenk. »Der Fahrer meldet, dass sie noch zwei Blocks entfernt sind. Seht ihr Jungs auf dem Dach sie schon?«
Sie wartete die Antwort ab, dann sprach sie wieder.
»Noch zwei Blocks«, wiederholte sie.
Das Küchenpersonal deponierte die letzten Kasserollen auf den Warmhalteplatten und verschwand. Reacher konnte wegen der Hofmauern nichts sehen, aber er hörte die Wagenkolonne. Starke Motoren, breite Reifen, die sich schnell näherten und dann scharf abbremsten. Ein Streifenwagen der Metro Police rollte an der Einfahrt vorbei, dann kam ein Suburban, dem ein gepanzerter Cadillac folgte, der genau in der Einfahrt hielt. Ein Agent trat vor und öffnete die Tür. Armstrong stieg aus, drehte sich um und hielt seiner Frau die Hand hin. Kameraleute drängten heran. Die Armstrongs blieben kurz an der Autotür stehen und lächelten in die Objektive. Mrs. Armstrong war eine hoch gewachsene Blondine, deren Vorfahren vor Urzeiten von Skandinavien nach Amerika gekommen waren. Das war nicht zu übersehen. Sie trug frisch gebügelte Jeans und eine weite Daunenjacke, damit ihre Kevlarweste darunter passte. Ihr von Haarspray steifes Haar umgab ihr Gesicht wie ein starrer Rahmen. Sie schien sich in Jeans nicht besonders wohl zu fühlen.
Auch Armstrong hatte Jeans an, aber seine waren leicht abgewetzt. Außerdem war er mit einer bis oben hin zugeknöpften rot karierten Jacke bekleidet. Da er darin ein wenig eingezwängt aussah, wusste jeder, der was davon verstand, dass er darunter eine
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