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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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schimpfte der Officer vom Dienst.
    »Nein, er ist okay«, widersprach Reacher.
    In den Nachrichten folgten jetzt die Football-Highlights des Tages. Der Officer vom Dienst stellte den Ton leiser und wandte sich ab. Reacher schloss die Augen. Dachte an Joe und an Froelich. Versuchte wieder, sich an seinen Blick auf das Dach zu erinnern, an Froelichs Blutfontäne, die Kontur der Schulter des Schützen, der zurückwich, sich abwandte, davonstürzte. Der Mantel, der sich seiner Bewegung anpasste. Der Mantel . Er ließ alles nochmals vor seinem geistigen Auge ablaufen. Hielt die Szene mit dem Mantel an. Plötzlich wusste er es. Er riss die Augen auf.
    »Weißt du schon, wie?«, fragte er Neagley.
    »Ich komme nicht um Bannons Theorie herum«, antwortete sie.
    »Nämlich?«
    »Crosetti hat jemanden gesehen, den er kannte und dem er vertraute.«
    »Mann oder Frau?«
    »Deiner Beobachtung nach ein Mann.«
    »Okay, sag’s noch mal.«
    Neagley zuckte mit den Schultern. »Crosetti hat irgendeinen Mann gesehen, den er kannte und dem er vertraute.«
    Reacher schüttelte den Kopf. »Ein Wort zu wenig. Crosetti hat irgendeinen Typ Mann gesehen, den er kannte und dem er vertraute.«
    »Wen?«, fragte sie.
    »Wer kann überall ein und aus gehen, ohne Misstrauen zu erwecken?«
    Neagley starrte ihn an. »Ein Gesetzeshüter?«
    Reacher nickte. »Der Mantel war lang, ein stumpfes rötliches Braun, ganz leicht gemustert. Zu dünn für einen Winter- und zu dick für einen Regenmantel. Schlabberig lang. Er hat geflattert, als der Mann gerannt ist.«
    »Und wer ist gerannt?«
    »Der Cop in Bismarck. Dieser Lieutenant oder was er sonst war. Er ist auf mich zugerannt, als ich aus der Kirche gekommen bin. Und er war der Mann auf dem Lagerhausdach.«
    »Das war ein Cop? «
    »Das ist ein sehr schwer wiegender Vorwurf«, sagte Bannon. »Auf der Grundlage einer nicht länger als eine Viertelsekunde dauernden Beobachtung aus neunzig Metern Entfernung inmitten chaotischer Umstände.«
    Sie saßen wieder im FBI-Konferenzraum, den Stuyvesant, noch immer im rosa Pullunder, nicht verlassen hatte.
    »Er war’s aber«, beharrte Reacher. »Ganz ohne Zweifel.«
    »Die Fingerabdrücke aller Cops sind gespeichert«, hielt Bannon dagegen. »Einstellungsvoraussetzung.«
    »Dann ist sein Partner eben kein Cop«, erklärte Reacher. »Der Kerl auf dem Überwachungsvideo.«
    Niemand sprach.
    »Er war’s«, wiederholte Reacher.
    »Wie lange haben Sie ihn in Bismarck gesehen?«, fragte Bannon.
    »Ungefähr zehn Sekunden«, antwortete Reacher. »Er war in Richtung Kirche unterwegs. Vielleicht hat er mich drinnen gesehen, ist hinausgeschlüpft, hat beobachtet, dass ich die Kirche verlasse, und wollte wieder hinein.«
    »Insgesamt zehneinviertel Sekunden«, sagte Bannon. »Beide Male in Paniksituationen. Jeder Strafverteidiger würde Sie in der Luft zerreißen.«
    »Es klingt vernünftig«, schaltete Stuyvesant sich ein. »Bismarck ist Armstrongs Heimatstadt. Heimatstädte sind die richtigen Orte, wenn man jemandem was heimzahlen will.«
    Bannon verzog das Gesicht. »Personenbeschreibung?«
    »Groß«, sagte Reacher. »Aschblondes Haar, grau werdend. Hageres Gesicht, hagere Gestalt. Langer Mantel, schwerer Gabardine, rötlich braun, offen. Tweedjacke, weißes Hemd, Krawatte, graue Flanellhose. Feste alte Schuhe.«
    »Alter?«
    »Mitte bis Ende vierzig.«
    »Dienstgrad?«
    »Er hat mir aus zehn Metern Abstand eine Goldplakette gezeigt, die ich nicht lesen konnte. Sah aus wie von einem höheren Dienstgrad. Vielleicht ein Lieutenant der Kriminalpolizei, oder gar ein Captain.«
    »Hat er etwas gesagt?«
    »Er hat mir etwas zugerufen. Vielleicht zwei Dutzend Wörter.«
    »War er der Mann am Telefon?«
    »Nein.«
    »Okay, dann kennen wir jetzt beide«, sagte Stuyvesant. »Ein untersetzter Kerl in einem Mantel mit Fischgrätenmuster, der in der Tiefgarage war, und ein großer, hagerer Cop aus Bismarck. Der Kleinere hat am Telefon gesprochen, und der Daumenabdruck stammt von ihm. Und er war mit der Maschinenpistole in Colorado, weil der Cop der Scharfschütze mit dem Gewehr ist. Deshalb hielt er sich in der Kirche auf. Er wollte vom Turm schießen.«
    Bannon schlug einen Ordner auf, nahm ein Blatt Papier heraus und studierte es sorgfältig.
    »Unsere Außenstelle in Bismarck hat alle beteiligten Polizeibeamten aufgelistet«, sagte er. »Insgesamt waren zweiundvierzig Cops im Einsatz. Keiner über den Dienstgrad eines Sergeant – bis auf zwei, nämlich der Einsatzleiter, ein

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