Tödliche Absicht
einen fragenden Blick zuwarf, nickte dieser knapp.
»Er heißt Andretti«, sagte er. »Im Prinzip dieselbe Situation wie bei Nendick. Er hält sich besser, wird aber auch nicht reden.«
Swain schwieg.
»Dieser Punkt geht an Sie«, sagte Reacher. »Sie haben die Verbindung hergestellt. Und das Gewehr war ein Vaime mit einem Zielfernrohr von Hensoldt, da wo ein Bushnell hingehört hätte.«
»Ich bin kein Spezialist für Feuerwaffen«, meinte Swain.
»Sie müssen uns sagen, was Sie über den Wahlkampf wissen. Wer war wütend auf Armstrong?«
Swain sah weg.
»Niemand«, erklärte er. »Was ich vorhin gesagt habe, stimmt nicht. In Wirklichkeit ist meine Analyse schon seit Tagen fertig. Klar, er hat Leute gegen sich aufgebracht, aber er hat niemandem einen Grund geliefert, ihn zu hassen. Nichts Außergewöhnliches.«
»Warum haben Sie’s dann behauptet?«
»Ich wollte das FBI ablenken, das war alles. Ich glaube nicht, dass der Täter einer von uns war. Ich mag es nicht, wenn unser Dienst so herabgesetzt wird.«
Reacher schwieg.
»Ich hab’s für Froelich und Crosetti getan«, fuhr Swain fort. »Sie haben Besseres verdient.«
»Sie haben also ein Gefühl und wir einen Bindestrich«, sagte Reacher. »Die meisten Fälle, für die ich bisher zuständig war, basierten auf überzeugenderen Grundlagen.«
»Was machen wir jetzt?«
»Wir suchen anderswo weiter«, erwiderte Neagley. »Gibt’s keine politischen Gründe, muss es private geben.«
»Ich weiß nicht recht, ob ich Ihnen dieses Zeug zeigen darf«, sagte Swain. »Eigentlich sollte es vertraulich bleiben.«
»Steht etwas Nachteiliges darin?«
»Nein, sonst hätten Sie im Wahlkampf davon gehört.«
»Wo liegt also das Problem?«
»Ist er seiner Frau treu?«, fragte Reacher.
»Ja«, sagte Swain.
»Ist sie ihm treu?«
»Ja.«
»Ist er finanziell koscher?«
»Ja.«
»Dann kann es nicht schaden, uns kurz Einblick zu gewähren?«
»Nein, vermutlich nicht.«
»Na, dann los.«
Sie machten sich auf den Weg durch die rückwärtigen Korridore in die Bibliothek. Als sie dort ankamen, klingelte das Telefon. Swain nahm den Hörer ab und gab ihn an Reacher weiter.
»Für Sie«, sagte er. »Stuyvesant.«
Reacher hörte kurz zu, dann legte er auf.
»Armstrong kommt her«, erklärte er. »Er ist nervös und ruhelos und will mit jedem reden, den er auftreiben kann und der heute mit dabei war.«
Sie ließen Swain in der Bibliothek zurück und gingen in den Konferenzraum. Stuyvesant traf nur wenig später ein. Er hatte noch immer seine Golfkleidung an und Froelichs Blut an den Schuhen. Es war an den Ziernähten eingetrocknet. Er sah sichtlich erschöpft aus. Reacher hatte solche Fälle schon früher erlebt. Ein Mann bewährt sich fünfundzwanzig Jahre lang – und dann bricht an einem einzigen schrecklichen Tag alles um ihn herum zusammen. Auslöser kann ein Selbstmordattentat, ein Hubschrauberabsturz oder ein Geheimnisverrat sein. Dann läuft die Vergeltungsmaschinerie an, und eine makellose Karriere, bis dahin stets nur mit Lob bedacht, wird mit einem Federstrich beendet, weil es für alles einen Schuldigen geben muss. Scheiße passiert eben – aber nie im Abschlussbericht einer offiziellen Untersuchungskommission.
»Wir werden nicht sehr viele sein«, sagte Stuyvesant. »Ich habe den meisten Leuten vierundzwanzig Stunden freigegeben und denke nicht daran, sie zurückzurufen, nur weil unser Mann nicht schlafen kann.«
Fünf Minuten später trafen zwei weitere Männer ein. Reacher erkannte den einen als Scharfschützen auf einem der Dächer und den anderen als einen vor den Serviertischen postierten Agenten. Sie nickten zur Begrüßung, wirkten müde und erschöpft und machten gleich wieder kehrt, um sich einen Kaffee zu holen. Kamen mit Plastikbechern für alle zurück.
Die Sicherheitsmaßnahmen zu Armstrongs Schutz eilten ihm voraus. Es gab Funkverbindung mit dem Gebäude, als er noch eine Meile entfernt war. Ein weiterer Funkspruch ging ein, als er die Tiefgarage erreichte. Auch das Betreten des Aufzugs wurde gemeldet. Einer der Leibwächter betrat den Empfangsbereich und meldete, dort sei alles klar. Seine beiden Kollegen begleiteten Armstrong herein. Dieser Vorgang wiederholte sich an der Tür des Konferenzraums. Der erste Agent kam herein, sah sich um, sprach in sein Handgelenkmikrofon und ließ dann Armstrong an sich vorbei eintreten.
Er trug Freizeitkleidung, die ihm nicht stand. Eine Cordsamthose, einen gemusterten Pullover und darüber eine
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