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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Das alles ist vor Armstrongs Geburt passiert. Außerdem ist der Mann vor fast dreißig Jahren gestorben. Und du hast selbst gesagt, diese Sache sei durch etwas ausgelöst worden, das Armstrong im Wahlkampf gesagt oder getan hat.«
    Reacher nickte. »Aber ich würde trotzdem gern mehr darüber erfahren. Wir könnten Armstrong direkt fragen, oder?«
    »Nicht nötig«, entgegnete Neagley. »Ich kann’s rauskriegen, wenn du wirklich Wert darauf legst und ein bisschen herumtelefonieren. Wir haben eine Menge Kontakte. Leute, die damit rechnen, bei uns einen Job zu kriegen, wenn sie kündigen, sind meist bemüht, im Vorfeld Eindruck zu schinden.«
    Reacher gähnte. »Okay, sieh zu, was sich machen lässt. Gleich morgen früh.«
    »Ich werde noch heute Nacht telefonieren. Das Militär ist ja Tag und Nacht im Dienst. Daran hat sich seit unserem Ausscheiden nichts geändert.«
    »Du solltest schlafen. Das hat Zeit.«
    »Ich scheine fast überhaupt keinen Schlaf mehr zu brauchen.«
    Reacher gähnte nochmals. »Nun, ich schon.«
    »Schlimmer Tag«, sagte Neagley.
    Reacher nickte. »Sehr schlimm. Tu, was du nicht lassen kannst, aber weck mich nicht auf, um mir zu erzählen, was du erfahren hast. Sag’s mir morgen.«
    Der Officer vom Dienst sorgte dafür, dass ein Fahrer sie in ihr Motel in Georgetown zurückbrachte. Reacher ging sofort auf sein Zimmer. Es war geputzt und aufgeräumt worden, das Bett frisch gemacht und Joes Karton verschwunden. Er setzte sich einen Augenblick auf die Bettkante und fragte sich, ob Stuyvesant daran gedacht hatte, Froelichs Zimmer abzubestellen. Dann umfing ihn die nächtliche Stille von allen Seiten, und das Gefühl, dass hier etwas fehlte, überwältigte ihn. Ein Gefühl von Abwesenheit, von Dingen, die da sein sollten und es nicht waren. Was genau? Natürlich Froelich. Er sehnte sich nach ihr. Noch an diesem Morgen hatte sie sich hier im Zimmer befunden. Dies ist der Tag, an dem wir gewinnen oder verlieren, waren ihre Worte gewesen. Verlieren kommt nicht in Frage, hatte er geantwortet.
    Irgendwas fehlte hier. Vielleicht Joe. Vielleicht andere Dinge. In seinem Leben fehlten viele Dinge. Dinge, die er nicht getan, nicht gesagt hatte. Was genau? Vielleicht beschäftigte ihn nur die Militärlaufbahn von Armstrongs Vater. Aber vielleicht war es mehr als das. Fehlte sonst noch was? Er schloss die Augen und dachte angestrengt nach, aber er sah nur die Fontäne von Froelichs Blut, die im Sonnenschein einen rosa Bogen bildete. Er öffnete die Augen, zog sich aus und duschte zum dritten Mal an diesem Tag. Er ertappte sich dabei, wie er in die Duschwanne hinunterstarrte, als erwarte er, dass das Wasser sich rot verfärbte. Aber es blieb klar.
    Das Bett fühlte sich kalt und hart an, die neue Bettwäsche steif. Er schlüpfte hinein und starrte eine Stunde lang an die Zimmerdecke, dachte angestrengt nach. Dann zwang er sich einzuschlafen. Er träumte von seinem Bruder, wie er im Sommer Hand in Hand mit Froelich um das Tidal Bassin schlenderte. Das Licht war sanft und golden, und das aus ihrem Hals strömende Blut hing in eineinhalb Meter Höhe wie ein leuchtendes rotes Band in der warmen Luft. Es hing dort, ohne von den anderen Spaziergängern zerrissen zu werden, und bildete einen geschlossenen Kreis von einer Meile Durchmesser, als Joe und Froelich wieder ihren Ausgangspunkt erreichten. Dann verwandelte sie sich in Swain, und Joe wurde zu dem Cop aus Bismarck. Der Mantel des Cops öffnete sich beim Gehen, und Swain sagte zu jedem, dem er begegnete: Ich glaube, wir haben falsch gezählt. Dann verwandelte Swain sich in Armstrong. Armstrong lächelte sein strahlendes Politikerlächeln und sagte Tut mir so Leid, und der Cop drehte sich um und zog unter seinem flatternden Mantel ein Gewehr hervor, spannte langsam den Abzug und schoss Armstrong in den Kopf. Das geschah ohne den geringsten Laut, weil das Gewehr einen Schalldämpfer besaß. Kein Laut, auch nicht, als Armstrong ins Wasser fiel und davontrieb.
    Um sechs Uhr kam ein Weckruf von der Rezeption, und eine Minute später klopfte jemand an der Tür. Reacher wälzte sich aus dem Bett, wickelte sich ein Badetuch um die Hüfte und sah durch den Spion. Draußen stand Neagley mit einem Becher Kaffee für ihn. Sie war fertig zum Verlassen des Motels angezogen. Er ließ sie ein, setzte sich aufs Bett und begann den Kaffee zu trinken, während sie in dem zum Fenster führenden schmalen Korridor auf und ab ging. Sie war aufgedreht, sah aus, als habe sie die ganze

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