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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Froelich ergänzt hätte. Sie hat selbst zugegeben, dass Armstrong vor seiner Kandidatur völlig unbekannt war.«
    »Also?«
    »Also hat Armstrong im Wahlkampf etwas absolut Grundlegendes, Fundamentales, Elementares getan: Er hat die amerikanische Öffentlichkeit auf sich aufmerksam gemacht. Zum allerersten Mal in seinem Leben haben gewöhnliche Leute außerhalb seines Heimatstaats und seines Freundeskreises sein Gesicht gesehen, seinen Namen gehört. Zum ersten Mal überhaupt. Ich vermute, dass hinter dieser ganzen Sache etwas ganz Einfaches stecken könnte.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Nehmen wir mal an, sein Gesicht hätte jemanden an ein weit zurückliegendes Ereignis erinnert. Völlig aus heiterem Himmel. Richtig als Schock.«
    »Wen zum Beispiel?«
    »Stell dir vor, du wärst ein Mann, und vor vielen Jahren ist irgendein junger Kerl ausgerastet und hat dich verprügelt. Irgendeine Situation dieser Art. Vielleicht in einer Bar oder wegen eines Mädchens. Vielleicht hat er dich dadurch gedemütigt. Du siehst den Kerl nie wieder, aber der Vorfall schwärt in deinem Unterbewusstsein weiter. Jahre vergehen, und plötzlich taucht dieser Kerl in allen Zeitungen und im Fernsehen auf. Er ist ein Politiker, der für das Amt des Vizepräsidenten kandidiert. Weil du nicht C-SPAN oder CNN siehst, hast du in den Jahren seit damals nie mehr von ihm gehört. Aber jetzt ist er allgegenwärtig, grinst dir ins Gesicht. Was machst du also? Würdest du die Mechanismen der Politik kennen, könntest du die Wahlkampfzentrale der Opposition anrufen und über ihn auspacken. Aber das bist du nicht, weil dies das erste Mal ist, dass du ihn seit jenem lange zurückliegenden Vorfall wiedergesehen hast. Sein Anblick bringt alles wieder zurück. Die schwärende Wunde bricht wieder auf. Was machst du also?«
    »Ich überlege, wie ich mich rächen kann.«
    Reacher nickte. »Was eine Erklärung für Swains Vermutung wäre, dass er leiden soll. Aber vielleicht hat Swain in der falschen Richtung gesucht. Vielleicht haben wir das alle getan. Möglicherweise deshalb, weil es nicht Armstrong als Politiker betrifft, sondern als Mann. Vielleicht ist es wirklich persönlich.«
    Neagley setzte sich. »Klingt nicht sehr überzeugend«, stellte sie fest. »Leute kommen über Dinge hinweg, oder?«
    »Wirklich?«
    »Meist.«
    Reacher blickte auf sie hinab. »Du bist nicht über das hinweg, was dich Berührungen hassen lässt.«
    Im Zimmer wurde es still.
    »Okay«, sagte sie. » Normale Leute kommen über Dinge hinweg.«
    »Normale Leute entführen keine Frauen, schneiden keine Daumen ab und ermorden keine unbeteiligten Außenstehenden.«
    Sie nickte. »Okay«, sagte sie wieder. »Das ist eine Theorie. Aber zu wem können wir damit gehen?«
    »Vielleicht zu Armstrong selbst«, antwortete Reacher. »Aber das wäre ein schwieriges Gespräch mit einem designierten Vizepräsidenten. Und würde er sich überhaupt daran erinnern? Hat er den Jähzorn geerbt, wegen dem sein Vater aus der Army geflogen ist, könnte er früher eine Reihe von Schlägereien angefangen haben. Er ist ein großer Kerl. Könnte überall Angst und Schrecken verbreitet haben, bis er seinen Jähzorn in den Griff bekommen hat.«
    »Seine Frau? Die beiden sind schon lange zusammen.«
    Reacher schwieg.
    »Wir müssen bald los«, sagte Neagley. »Um sieben treffen wir uns mit Bannon. Erzählen wir ihm davon?«
    »Nein«, beschloss Reacher. »Er würde nicht zuhören.«
    »Geh duschen«, sagte Neagley.
    Reacher nickte. »Erst noch was anderes. Es hat mich gestern Abend eine Stunde wach gehalten und mir ziemlich zugesetzt. Etwas, das nicht da ist, oder etwas, das nicht getan wurde.«
    Neagley zuckte mit den Schultern. »Okay«, sagte sie. »Ich denke darüber nach. Sieh jetzt zu, dass du in die Gänge kommst.«
    Er zog den letzten von Joes Anzügen an, anthrazitgrau und fein wie Seide und dazu das letzte saubere Hemd, gestärkt und weiß wie Schnee. Die letzte Krawatte war dunkelblau mit einem winzigen, sich wiederholenden Muster. Sah man sehr genau hin, erkannte man, dass es die Hand eines Pitchers darstellte, die einen Baseball umfasst hielt, um einen Curveball zu werfen.
    Er traf sich mit Neagley in der Empfangshalle und verschlang einen Muffin. Dann nahm er einen Plastikbecher Kaffee mit in den Town Car, den Stuyvesant ihnen geschickt hatte. Sie kamen mit Verspätung im Konferenzraum an. Bannon und Stuyvesant waren schon da. Bannon war noch immer wie ein City Cop angezogen. Stuyvesant trug

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