Tödliche Absicht
persönliche Erklärung abgab. Sahen, wie Bannon vor dem Hoover Building interviewt wurde. Sie baten den Officer vom Dienst nicht, den Ton aufzudrehen. Sie wussten, was Bannon gesagt hatte. Sie sahen sich die Highlights von den Footballspielen am Thanksgiving Day an. Dann ließ Stuyvesant sie wieder in sein Büro rufen.
Seine Sekretärin war nicht da. Sie verbrachte offenbar ein langes Wochenende zu Hause. Reacher und Neagley durchquerten den leeren Vorraum und nahmen vor Stuyvesants tadellos aufgeräumtem Schreibtisch Platz, während er ihnen die Besuchsregeln erläuterte.
»Kein Körperkontakt«, sagte er.
Reacher grinste. »Nicht mal ein Händedruck?«
»Ein Händedruck ist in Ordnung, denke ich«, antwortete Stuyvesant. »Aber sonst nichts. Und Sie dürfen nicht verraten, was Sie über die gegenwärtige Situation wissen. Er ist nicht darüber informiert, und ich will nicht, dass er’s von Ihnen erfährt. Ist das klar?«
Reacher nickte.
»Verstanden«, bestätigte Neagley.
»Beunruhigen Sie ihn nicht, und setzen Sie ihm nicht mit irgendetwas zu. Denken Sie daran, wer er ist, und dass er wahrscheinlich durch die Sorge um seine Mutter abgelenkt ist.«
»Okay«, sagte Reacher.
Stuyvesant sah zur Seite. »Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass ich nicht wissen will, warum Sie mit ihm sprechen möchten. Und ich will nicht wissen, was anschließend passiert – wenn überhaupt was passiert. Aber ich möchte Ihnen für alles danken, was Sie bis jetzt getan haben. Ihr Sicherheitsaudit wird uns helfen. Außerdem glaube ich, dass Sie uns in Bismarck gerettet haben. Und Sie haben beide das Herz auf dem rechten Fleck. Für das alles bin ich Ihnen sehr dankbar.«
Niemand sprach.
»Ich lasse mich pensionieren«, fuhr Stuyvesant fort. »Um meine Karriere zu retten, müsste ich jetzt kämpfen, und um ehrlich zu sein, ist mir meine Karriere nicht so wichtig, dass ich für sie kämpfen würde.«
»Diese Männer waren niemals Agenten von Ihnen«, sagte Reacher.
»Das weiß ich«, entgegnete Stuyvesant. »Aber ich habe zwei Leute verloren. Deshalb ist meine Karriere beendet. Aber das ist meine Entscheidung und mein Problem. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich froh bin, Joes Bruder kennen gelernt zu haben und es ein wirkliches Vergnügen war, mit Ihnen beiden zusammenzuarbeiten.«
Schweigen.
»Und ich bin froh, dass Sie zuletzt für M. E. da waren.«
Reacher sah weg. Stuyvesant zog wieder die Umschläge aus der Tasche.
»Ich bin mir nicht im Klaren darüber, ob ich hoffen soll, dass Sie Recht oder Unrecht haben«, sagte er. »In Bezug auf Wyoming, meine ich. Wir setzen drei Agenten und ein paar Cops von dort ein. Das ist nicht viel, falls irgendwas schief geht.«
Er reichte ihnen die Umschläge über den Schreibtisch.
»Unten steht ein Wagen für Sie«, erklärte er. »Sie bekommen eine einfache Fahrt nach Georgetown, und dann sind Sie auf sich allein gestellt.«
Sie fuhren mit dem Lift hinunter. Reacher machte einen Umweg über die große Eingangshalle. Sie war riesig, düster, grau und menschenleer. Der kalte Marmorboden hallte unter seinen Schritten. Er blieb unter der Gedenktafel stehen und sah zu dem Namen seines Bruders auf. Betrachtete die Stelle, wo bald auch Froelichs Name stehen würde. Dann kehrte er zu Neagley zurück, und gemeinsam gingen sie zu der wartenden Limousine hinaus.
Das weiße Zelt überspannte noch immer den Gehsteig vor Armstrongs Haus. Der Fahrer hielt so, dass die hintere Tür mit der Öffnung abschloss, und sprach in sein Mikrofon am Handgelenk. Im nächsten Augenblick öffnete sich Armstrongs Haustür, und drei Agenten traten ins Freie. Einer kam durch den Zelttunnel und öffnete die Tür der Limousine. Reacher und Neagley stiegen aus. Der Agent schloss die Autotür wieder und verharrte unbeweglich am Randstein, als die Limousine wegfuhr. Der zweite Agent deutete mit einer Bewegung an, sie sollten stillstehen und sich nach Waffen durchsuchen lassen. Sie warteten im Halbdunkel des Zelts. Neagley erstarrte, als fremde Hände ihren Körper abtasteten. Aber die Durchsuchung war sehr flüchtig. Und sie übersahen Reachers Keramikmesser. Er trug es in einer Socke versteckt.
Die Agenten führten sie in die Diele und schlossen die Haustür. Armstrongs Haus, ein geräumiges, solides Stadthaus, das bestimmt schon hundert Jahre stand, war größer, als es von außen aussah. Die Diele war mit dunklen, antiken Möbeln ausgestattet, und auf den Streifentapeten an den Wänden hingen Dutzende von
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