Tödliche Absicht
des Tages.«
»Wozu?«
»Wir müssen mit Armstrong reden. Nur Neagley und ich.«
»Worüber?«
»Über etwas Wichtiges«, sagte Reacher.
»Die Sache, über die wir heute Morgen gesprochen haben?«, fragte Neagley ihn.
»Nein, die Sache, über die ich heute Nacht nachgedacht habe.«
»Etwas, das nicht da ist, etwas, das nicht getan wurde?«
Er schüttelte den Kopf. »Es war etwas, das nicht gesagt wurde.«
»Und was?«
Er gab keine Antwort, nahm nur die beiden Umschläge und ließ sie über die Tischplatte zurückgleiten. Stuyvesant nahm sie vom Tisch und hielt sie unsicher in der Hand.
»Ich kann nicht zulassen, dass Sie ohne mich mit Armstrong reden«, wandte er ein.
»Das müssen Sie aber«, sagte Reacher. »Sonst redet er nicht.«
Stuyvesant schwieg. Reacher sah ihn an. »Erzählen Sie mir, wie die Sache mit der Post funktioniert. Wie lange kontrollieren Sie Armstrongs Post schon?«
»Von Anfang an«, antwortete Stuyvesant. »Seit er sich zur Kandidatur bereit erklärt hat. Das wird immer so gehandhabt.«
»Wie funktioniert es?«
Stuyvesant zuckte mit den Schultern. »Ganz einfach. Anfangs haben die Agenten in seinem Haus alle dort eingehenden Sendungen geöffnet. Wir hatten einen Mann in den Senate Offices, der dort für die Post zuständig war, und einen anderen in Bismarck für die dortigen Sendungen. Aber nach den ersten Drohbriefen haben wir alle Kontrollen hier zusammengefasst, weil das einfacher war.«
»Aber abgesehen von den Drohbriefen hat er alles bekommen?«
»Selbstverständlich.«
»Sie kennen Swain?«
»Den Rechercheur? Nicht besonders gut.«
»Sie sollten ihn befördern oder ihm einen Bonus geben. Weil er hier der Einzige ist, der eine originelle Idee im Kopf hat – uns eingeschlossen.«
»Welche Idee meinen Sie?«
»Wir müssen mit Armstrong reden. Möglichst bald. Neagley und ich, allein. Danach betrachten wir uns als entlassen, und Sie sehen uns nie wieder. Und Sie werden auch Bannon nicht wiedersehen, weil Ihr Problem innerhalb weniger Tage gelöst ist.«
Stuyvesant steckte die beiden Umschläge wieder ein.
An diesem Tag nach Thanksgiving befand Armstrong sich in Bezug auf öffentliche Auftritte in selbst gewähltem Exil, aber ein Treffen mit ihm zu vereinbaren erwies sich als ungeheuer schwierig. Gleich nach der Morgenbesprechung beförderte Stuyvesant einen von Froelichs sechs Konkurrenten zu ihrem Nachfolger. Der Mann, ein echter Macho, hatte allen möglichen Jetzt-können-wir’s-richtig-machen- Scheiß im Kopf. Vor Stuyvesant hielt er sich damit noch zurück, weil er nicht anecken wollte, aber er baute so viele Hürden auf wie nur möglich. Als Haupthindernis erwies sich eine uralte Bestimmung, nach der vom Secret Service beschützte Politiker nur mit Besuchern sprechen durften, wenn mindestens ein Agent anwesend war. Reacher sah ein, dass sie ihre Berechtigung hatte. Selbst wenn man sie entkleidet und nach Waffen abgesucht hätte, hätten Neagley und er Armstrong in kürzester Zeit völlig zerstückeln können. Aber sie mussten allein mit ihm reden. Das war entscheidend. Stuyvesant wollte nicht gleich am ersten Tag einen Beschluss des neuen Teamführers aufheben, aber zuletzt berief er sich auf die Sicherheitseinstufungen des Pentagon und entschied, zwei unmittelbar vor der Tür postierte Agenten reichten aus. Dann rief er Armstrong zu Hause an, um den Termin mit ihm persönlich zu vereinbaren. Er legte auf und sagte, Armstrong höre sich wegen irgendetwas leicht besorgt an und werde sofort zurückrufen.
Sie warteten. Armstrong rief zwanzig Minuten später zurück und erklärte Stuyvesant dreierlei: Erstens habe der Gesundheitszustand seiner Mutter sich plötzlich verschlechtert; zweitens wolle er deshalb nachmittags nach Oregon geflogen werden; drittens müsse das Gespräch mit Reacher und Neagley deshalb sehr kurz ausfallen und um zwei Stunden verschoben werden, bis er gepackt habe.
Also gingen Reacher und Neagley in Froelichs Büro, um dort zu warten. Doch ihr Nachfolger hatte es bereits in Beschlag genommen. Die kleine Topfpflanze war verschwunden, und Möbel waren umgestellt worden. An Froelich erinnerte nur noch ein Hauch ihres Parfüms in der Luft. Sie gingen in den Empfangsbereich zurück und machten es sich dort in Ledersesseln bequem. Starrten auf den Bildschirm des ohne Ton laufenden Fernsehers. Er war auf einen Nachrichtenkanal eingestellt, und sie sahen Froelich ein weiteres Mal sterben: lautlos und in Zeitlupe. Sahen, wie Armstrong seine
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