Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
achtzig Jahren stillgelegt.«
    »Das Land sieht ziemlich flach aus«, sagte Reacher.
    Aber er wusste, dass dieser Eindruck täuschte, denn die tief stehende Sonne erhob Verwerfungen, Spalten und kleine Terrassen ins Relief. Sie befanden sich in einer Übergangszone, in der die Berge in die Hochebene, zum Teil bis nach Nebraska, ausliefen und die einem Mann, der zu Fuß unterwegs war, unendlich viele Verstecke bot.
    »Es sollte völlig flach sein«, sagte Neagley.
    Reacher nickte. »Bis auf einen kleinen Hügel hundert Meter von der Stelle entfernt, an der Armstrong stehen wird. Und einen weiteren kleinen Hügel hundert Meter dahinter, von dem aus wir das Ganze beobachten können.«
    »So einfach wird’s nicht sein.«
    »Das ist es nie«, sagte Reacher.
    Sie fuhren eine volle Stunde nach Nordosten weiter. Die Sonne stand jetzt höher. Der Morgenhimmel war rosa und purpurrot gestreift und ließ die Rockies hinter ihnen rot erstrahlen. Vor ihnen und rechts der Straße erstreckte sich das Grasland. Das Schneewirbeln hatte aufgehört.
    »Hier abbiegen«, sagte Neagley.
    »Hier?« Er hielt und sah sich die Abzweigung an. Nur ein Feldweg, der nach Süden ins Nirgendwo führte.
    »Dort unten liegt eine Kleinstadt?«, fragte er.
    »Laut Karte, ja«, antwortete Neagley.
    Er setzte zurück und bog in den Feldweg ein, der eine Meile durch Tannenwald verlief. Als sie ihn verließen, war nichts von einem Ort zu sehen.
    »Nur weiter«, ermutigte ihn Neagley.
    Sie fuhren weiter, zwanzig, dreißig Meilen. Es ging auf und ab, über einen Grat und dann in eine fünfzig Meilen weite Senke mit Gras und Salbeibüschen hinab. Der Weg verlief genau nach Süden und überquerte am Fuß der Senke einen Fluss. Zwei aus dem Nichts kommende Straßen trafen an der Brücke aufeinander, wo sich scheinbar willkürlich verteilte Gebäude befanden. Das Ganze sah wie ein großes K aus.
    »Das ist Grace, Wyoming«, sagte Neagley. »Wo diese Straße über den Südarm des Cheyenne River führt.«
    Reacher brachte den Wagen zum Stehen, stützte die Ellbogen aufs Lenkrad und starrte durch die Windschutzscheibe.
    »Wir sollten Pferde haben«, sagte er.
    »Und weiße Stetsons«, ergänzte Neagley. »Und Colts Kaliber 45.«
    »Ich bleibe bei den Steyrs«, sagte Reacher. »Wie viele Zufahrten?«
    Neagleys Zeigefinger glitt über die Karte. »Aus Norden oder Süden«, sagte sie. »Auf dieser Straße. Die beiden anderen führen nirgends hin, verlieren sich im Busch.«
    »Woher kommen die Verbrecher?«
    »Wenn sie aus Nevada kommen, von Süden, aus Idaho von Norden.«
    »Also können wir nicht einfach hier bleiben und die Straße blockieren.«
    Eines der Gebäude war ein weißer Bau mit einem winzigen weißen Zahnstocher inmitten einer quadratischen Grünfläche. Froelichs Kirche, dachte er. Er stieg aus, ging nach hinten, öffnete die Hecktür und kam mit dem Teleskop für Vogelliebhaber zurück. Es sah aus wie die Hälfte eines riesigen Fernglases. Er stützte es auf die offene Tür und blickte durch das Okular.
    Die Optik komprimierte die Ansicht zu einem flachen, körnigen Bild. Er stellte sie scharf, bis er den Eindruck hatte, aus einer halben Meile Entfernung auf die Stadt hinunterzublicken. Das Flussbett war schmal und tief eingegraben, die Brücke aus Steinen gemauert. Alle Straßen waren unbefestigt. Es gab mehr Häuser, als er anfangs gedacht hatte. Die Kirche stand auf einer etwa fünfzig mal achtzig Meter großen Grünfläche im südlichen Winkel des Buchstabens K auf einem Steinfundament und war mit weiß gestrichenen Holzschindeln verkleidet. Sie hätte ohne weiteres auch nach Massachusetts gepasst. Nach Süden hin ging die Grünfläche in den größeren Friedhof über, auf dem die Grabsteine im gemähten Rasen eingelassen waren.
    Die Südgrenze des Friedhofs bildete ein Zaun, und hinter diesem Zaun lag eine Ansammlung von einstöckigen Gebäuden aus verwittertem Zedernholz. Sie standen in scheinbar zufälligen Winkeln zueinander. Nördlich der Kirche befanden sich weitere Gebäude. Häuser, Ställe, Scheunen. Entlang der kurzen Schenkel des K gab es ebenfalls Gebäude. Manche waren weiß gestrichen. In der Ortsmitte drängten sie sich dicht aneinander, aber mit zunehmender Entfernung wurden die Abstände größer. Der Fluss strömte blau und klar nach Nordosten. Hier und dort waren Personenwagen und Pick-ups geparkt. Vereinzelt sah man Fußgänger. Grace besaß vermutlich nur ein paar hundert Einwohner.
    »Scheint eine Viehzüchterstadt gewesen zu

Weitere Kostenlose Bücher