Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
ihrer eigenen kleinen Welt, genau wie jeder andere. Ist man zum Beispiel bei einer kleinen Polizei auf dem Land in Maine, Florida oder außerhalb von San Diego beschäftigt, kennt man vielleicht einen Quarterback der New York Giants oder einen Centerfielder der Chicago White Sox, aber nicht unbedingt den Juniorsenator von North Dakota. Außer man ist politikinteressiert, was die meisten Leute nicht sind.«
    Rechts von ihnen, weit im Osten, wurde ein schmaler Streifen Himmel langsam heller. Es schneite immer noch.
    »Worauf tippst du also?«, fragte sie. »Maine, Florida oder Kalifornien? Das müssen wir wissen, denn falls sie mit dem Flugzeug kommen, sind sie nur mit dem bewaffnet, was sie sich hier besorgen können.«
    »Kalifornien ist eine Möglichkeit«, antwortete Reacher. »Oregon nicht. Würden sie noch dort leben, hätten sie Armstrong keinen Hinweis auf ihre Identität gegeben. Nevada ist eine andere Option. Ebenso Utah oder Idaho. Alles andere ist zu weit weg.«
    »Wofür?«
    »Um nicht allzu weit von Sacramento entfernt zu sein. Wie lange hält sich Eis in einer gestohlenen Kühltasche?«
    Neagley schwieg.
    »Nevada, Utah oder Idaho«, wiederholte Reacher. »Das ist mein Tipp. Nicht Kalifornien. Ich glaube, sie wollten eine Staatsgrenze zwischen sich und die Stadt bringen, aus der sie sich den Daumen besorgt haben. Erzeugt psychologisch ein besseres Gefühl. Ich vermute, dass sie eine Tagesfahrt von Sacramento entfernt leben. Das bedeutet, dass sie auch eine Tagesfahrt nach Grace haben, nur in die andere Richtung. Also kommen sie mit dem Auto, was heißt, dass sie bis an die Zähne bewaffnet sind.«
    »Wann?«
    »Heute, wenn sie einen Funken Verstand haben.«
    »Den Baseballschläger haben sie in Utah aufgegeben«, sagte Neagley.
    Reacher nickte. »Folglich können wir Utah streichen. Ich glaube nicht, dass sie etwas in ihrem Heimatstaat aufgegeben hätten.«
    »Also bleiben Idaho oder Nevada«, erklärte Neagley. »Wir sollten auf Autokennzeichen achten, denke ich.«
    »Grace ist ein Touristenziel. Dort wird’s massenhaft Nummernschilder von außerhalb geben. Auch wir haben Kennzeichen aus Colorado.«
    »Wie werden sie’s anstellen?«
    »Edward Fox«, sagte Reacher. »Sie wollen überleben, und sie sind keine schlechten Schützen. Hundertzwanzig Meter in Minnesota, neunzig in Washington. Sie werden versuchen, ihn am Kirchenportal zu erwischen, vielleicht auch auf dem Friedhof. Ihn neben einem Grabstein tot zusammenbrechen lassen.«
    Neagley bog nach rechts auf die Route 220 ab. Diese Straße war breiter, hatte einen besseren Fahrbahnbelag. Sie verlief neben einem Fluss, dessen Lauf sie folgte. Der Himmel im Osten war noch etwas heller geworden. Vor sich sahen sie den schwachen Lichtschein von Casper, zwanzig Meilen nördlich. Die Schneeflocken wirbelten weiter aus Westen heran.
    »Und wie sieht dein Plan aus?«, wollte Neagley wissen.
    »Wir müssen das Gelände inspizieren«, antwortete Reacher.
    Er warf einen Blick aus dem Seitenfenster. Seit Denver hatte er nur Nacht gesehen.
    Am Stadtrand von Casper hielten sie, um zu tanken, noch einen Kaffee zu trinken und auf die Toilette zu gehen. Dann übernahm Reacher das Steuer. Er fuhr auf der Route 87 ziemlich schnell in Richtung Norden, weil sie spät dran waren. Im Osten brach schon der Tag an, und sie waren noch weit von Grace entfernt. Sie schlängelten sich durch die Vorberge. Rechts von ihnen, nach Osten hin, dehnten sich die Great Plains flach bis nach Chicago und weiter aus. Links von ihnen, im Westen, ragten die Rocky Mountains auf. In den tieferen Lagen waren sie überwiegend mit Tannen bewaldet, und ihre grauen Felsgipfel sahen tief verschneit aus. Das Asphaltband der Straße führte meilenweit durch ein hoch gelegenes Wüstenplateau mit Salbeibüschen und hellbraunen Gräsern, die in der Morgensonne purpurrot leuchteten.
    »Schon mal hier gewesen?«, fragte Neagley.
    »Nein.«
    »Wir müssen bald nach Osten abbiegen«, sagte sie. »In Richtung Thunder Basin.«
    Er wiederholte den Ortsnamen in Gedanken, weil ihm der Klang dieser Worte gefiel. Thunder Basin. Thunder Basin.
    Er bog vom Highway halb rechts auf eine schmale Landstraße mit Wegweisern nach Midwest und Edgerton ab. Nach Osten hin fiel das Gelände leicht ab. Dreißig Meter hohe Tannen warfen lange Morgenschatten. Aus dem endlos sich dahinziehenden Grasland ragten hier und dort die Überreste ehemaliger Industriestätten auf.
    »Öl«, erklärte Neagley. »Und Kohlebergwerke. Vor

Weitere Kostenlose Bücher