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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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gegliedert.
    »Für wie gut hältst du sie?«, fragte er.
    Neagley zuckte mit den Schultern. »Bisher haben sie einiges an Fertigkeiten bewiesen. Leichte Erhöhung, dünne Luft, durch Gras … ich würde mir Sorgen bis zu ungefähr fünfhundert Metern machen.«
    »Und wenn sie Armstrong verfehlen, treffen sie versehentlich jemand anderen.«
    »Stuyvesant sollte auch einen Überwachungshubschrauber mitbringen. Aus diesem Blickwinkel ist es aussichtslos, aber aus der Luft könnte man alles sehen.«
    »Armstrong lässt ihn nicht«, sagte Reacher. »Aber wir verfügen über die Lufthoheit. Wir haben den Kirchturm.«
    Er machte kehrt und ging darauf zu.
    »Vergiss die Sauberen Zimmer «, sagte er. »Wir quartieren uns hier ein. Wir sehen sie kommen, ob aus Norden oder Süden, ob bei Tag oder Nacht. Dann ist alles vorbei, bevor Stuyvesant oder Armstrong überhaupt hier aufkreuzen.«
    Sie waren drei Meter vom Kirchenportal entfernt, als die Tür aufging. Ein Geistlicher trat heraus, dicht gefolgt von einem alten Ehepaar. Der Pastor, Anfang vierzig, wirkte sehr ernst. Das alte Ehepaar war etwa Mitte sechzig. Der Mann, groß und hager, ging gebeugt. Die Frau war noch immer attraktiv, ziemlich groß, schlank und gut angezogen. Sie hatte kurzes blondes Haar, das grau zu werden begann. Reacher erkannte sie sofort. Und sie ihn – oder glaubte es zumindest. Sie blieb stehen und starrte ihn verwirrt an, wie ihre Tochter es getan hatte.
    »Sie?«, fragte sie. »Oder doch nicht?«
    Ihr Gesicht wirkte müde. Sie trug kein Make-up, und man konnte an ihren Augen sehen, dass sie in den letzten Tagen viel geweint hatte.
    »Ich bin sein Bruder«, antwortete Reacher. »Ihr Verlust tut mir aufrichtig Leid.«
    »Das sollte er auch«, sagte sie. »Denn daran ist einzig und allein Joe schuld.«
    »Wirklich?«
    »Er hat sie dazu verleitet, den Job zu wechseln. Er wollte sich nicht mit einer Kollegin einlassen, deshalb musste sie den Job wechseln. Er hat gar nicht daran gedacht, seinen zu wechseln. Sie ist auf die gefährliche Seite gegangen, und er ist dort geblieben, wo er schon immer war, auf der warmen und sicheren. Und jetzt sehen Sie sich an, wie alles geendet hat.«
    Reacher zögerte einen Moment.
    »Ich glaube, sie war mit ihrem Job zufrieden«, sagte er. »Sie hätte wieder zurückgehen können, wissen Sie – danach, meine ich –, wenn sie’s nicht gewesen wäre. Aber das hat sie nicht getan. Deshalb glaube ich, dass sie dort bleiben wollte. Sie war eine hervorragende Agentin, hat wichtige Arbeit geleistet.«
    »Wie hätte sie zurückgehen können? Sie wäre ihm jeden Tag im Büro begegnet, als wäre nie etwas gewesen.«
    »Ich meine, sie hätte das Jahr abwarten und dann zurückgehen können.«
    »Welchen Unterschied hätte das gemacht? Er hat ihr das Herz gebrochen. Wie hätte sie jemals wieder für ihn arbeiten können?«
    Reacher schwieg.
    »Kommt er auch her?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete Reacher.
    »Gut«, sagte sie. »Denn er wär hier nicht willkommen.«
    »Nein, wohl nicht«, entgegnete Reacher.
    »Er ist zu beschäftigt, nehme ich an«, beendete sie ihr Gespräch. Dann ging sie in Richtung Straße davon. Der Geistliche folgte ihr, und auch Froelichs Vater. Doch dann zögerte dieser und drehte sich zu Reacher um.
    »Sie weiß, dass es nicht wirklich Joes Schuld war«, erklärte er. »Wir wissen beide, dass Mary Ellen getan hat, was sie selbst wollte.«
    Reacher nickte. »Sie war große Klasse.«
    »Tatsächlich?«
    »Die Beste, die sie je hatten.«
    Der alte Mann nickte, als sei er zufrieden.
    »Wie geht’s Joe?«, fragte er. »Ich bin ein paar Mal mit ihm zusammen gewesen.«
    »Er ist umgekommen«, erwiderte Reacher. »Vor fünf Jahren. In Erfüllung seiner Dienstpflicht.«
    Danach herrschte einen Augenblick Schweigen.
    »Das tut mir sehr Leid«, sagte der alte Mann.
    »Aber erzählen Sie das Ihrer Frau nicht«, meinte Reacher. »Wenn’s ihr hilft, es nicht zu wissen.«
    Der alte Mann nickte wieder, wandte sich ab und folgte seiner Frau.
    »Siehst du?«, sagte Neagley. »Du bist nicht an allem schuld.«
    In der Nähe des Kirchenportals entdeckten sie einen Schaukasten. Er glich einem sehr schmalen Schrank auf massiven Holzpfosten und hatte Glastüren. Dahinter befand sich ein Quadratmeter grüner Filz, auf dem mit Reißzwecken diagonal verlaufende dünne Baumwollbänder befestigt waren. Hinter den Bändern steckten mit einer mechanischen Schreibmaschine getippte Ankündigungen. Der größte Zettel war eine Liste

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