Tödliche Absicht
sollte dafür bezahlen.«
»Der Kerl ist längst tot.«
Der Cop aus Bismarck zuckte mit den Schultern. Der Gewehrlauf bewegte sich. »Sie sollten Ihre Bibel lesen, mein Freund. Die Sünden der Väter … schon mal davon gehört?«
»Welche Sünden? Sie haben bei einer Schlägerei verloren, das war alles.«
»Wir verlieren nie. Früher oder später gewinnen wir immer. Und Armstrong hat zugesehen . Dieser rotznäsige reiche Bengel hat übers ganze Gesicht gegrinst. Ein Mann vergisst so was nicht.«
Reacher sagte nichts. Sorg dafür, dass er weiterredet, dachte Reacher. Sorg dafür, dass er sich weiterbewegt. Aber als er in die Augen des Verrückten sah, fiel ihm nichts ein, was er hätte sagen können.
»Die Frau kommt in unseren Wagen«, befahl der Kerl. »Mit der amüsieren wir uns ein bisschen, wenn wir mit Armstrong fertig sind. Aber Sie erschieße ich gleich hier.«
»Nicht mit diesem Gewehr«, wandte Reacher ein. Sorg dafür, dass er weiterredet. Sorg dafür, dass er sich weiterbewegt. »Der Lauf ist voller Schneematsch. Der fliegt Ihnen beim ersten Schuss um die Ohren.«
Danach Schweigen. Der Kerl schätzte mit einem raschen Blick die Entfernung zwischen ihnen ab. Dann ließ er das Gewehr sinken, drehte es blitzschnell hin und her, eben lange genug, um es kontrollieren zu können. Die Mündung war mit vereistem Schneematsch verstopft. Das M16 liegt auf dem Rücksitz des Yukons, dachte Reacher. Aber die Tür ist durch die Schneewehe blockiert.
»Wollen Sie Ihr Leben auf ein bisschen Schneematsch setzen?«, fragte der Kerl aus Bismarck.
»Sie etwa?«, entgegnete Reacher. »Der Verschluss explodiert, reißt Ihnen die Visage weg. Dann nehm ich den Lauf und ramme ihn in Ihren Hintern. Tu so, als wär’s ein Baseballschläger.«
Die Miene des Kerls verfinsterte sich, aber er drückte nicht ab.
»Treten Sie vom Wagen weg«, sagte er wieder mit seiner Cop-Stimme. Reacher machte einen großen Schritt von dem Yukon weg, hob die Füße dabei hoch, als wate er.
»Und noch einen.«
Reacher folgte dem Befehl. Er war zwei Meter von dem Yukon entfernt, drei Meter von seinem M16, zehn Meter von seiner Neunmillimeter-Pistole, die im Schnee verschwunden war. Er sah sich um. Der Mann aus Bismarck hielt sein Gewehr in der linken Hand, griff mit der Rechten unter seinen Mantel und brachte eine Pistole zum Vorschein. Die Waffe war eine Glock. Schwarz, klobig und hässlich. Wahrscheinlich seine Dienstwaffe. Er entsicherte sie, hob sie mit einer Hand und zielte damit auf Reachers Gesicht.
»Mit der auch nicht«, sagte Reacher.
Sorg dafür, dass er weiterredet. Sorg dafür, dass er sich weiterbewegt.
»Warum nicht?«
»Das ist Ihre Dienstwaffe. Bestimmt haben Sie schon mal damit geschossen. Also gibt’s Unterlagen. Wird meine Leiche aufgefunden, führt die ballistische Untersuchung direkt zu Ihnen.«
Der Kerl stand eine Weile reglos da, sagte kein Wort. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, aber er steckte die Glock wieder ein. Hob das Gewehr. Ging rückwärts durch den Schnee zu dem Tahoe. Dabei blieb die Gewehrmündung auf Reachers Brust gerichtet. Verdammt, drück doch einfach ab, dachte Reacher. Dann haben wir alle was zu lachen . Der Kerl fummelte hinter sich herum, öffnete die linke hintere Tür des Geländewagens, ließ sein Gewehr in den Schnee fallen und brachte mit derselben Bewegung eine Pistole zum Vorschein. Die Waffe war eine alte Beretta M9 mit Kratzern und angetrockneten Ölflecken. Der Kerl kam wieder durch den Schnee herangestapft, machte zwei Meter vor Reacher Halt, hob den rechten Arm, entsicherte die Pistole mit dem Daumen und zielte damit genau in die Mitte von Reachers Gesicht.
»Wegwerfwaffe«, sagte er. »Unregistriert.«
Reacher schwieg.
»Sag jetzt gute Nacht«, flüsterte der Kerl.
Niemand rührte sich.
»Beim Klicken«, sagte Reacher.
Er starrte direkt auf die Waffe. Sah Neagleys Gesicht aus dem Augenwinkel heraus. Merkte, dass sie nicht verstand, was er meinte, obwohl sie nickte. Ihr Nicken bestand nur aus einer leichten Lidbewegung. Wie ein halbes Blinzeln. Der Kerl aus Bismarck lächelte, machte den Zeigefinger krumm und drückte ab.
Das einzige Geräusch war ein mattes Klicken.
Reacher, dessen Keramikmesser bereits aufgeklappt war, stürzte sich auf den Mann und zog ihm die Klinge quer über die Stirn. Dann packte er den Lauf der Beretta mit der linken Hand, riss ihn hoch, schlug ihn mit voller Wucht über sein Knie und brach ihm dabei den Unterarm. Stieß ihn von sich weg und
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