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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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warf sich herum. Neagley hatte sich kaum bewegt, aber der Mann aus dem Überwachungsvideo lag reglos vor ihr im Schnee. Er blutete aus beiden Ohren. Sie hielt die Heckler & Koch in einer und die Pistole des Kerls in der anderen Hand.
    »Ja?«, fragte sie.
    Er nickte. Sie trat einen Schritt zurück, damit ihre Sachen keine Blutspritzer abbekamen, zielte mit der Pistole auf den Kerl am Boden und drückte dreimal ab. Peng-peng … peng. Zwei Kugeln in den Kopf, dann für alle Fälle noch eine in die Brust. Die Schüsse krachten wie Donnerschläge. Der Mann aus Bismarck torkelte völlig blind im Schnee umher. Seine Stirn war bis auf den Knochen aufgeschlitzt, und aus der Wunde strömte das Blut in Augen, Mund und Nase. Mit der linken Hand hielt er seinen gebrochenen Arm umklammert. Lief orientierungslos im Kreis, versuchte sich mit dem linken Unterarm das Blut aus den Augen zu wischen.
    Reacher beobachtete ihn mit ausdrucksloser Miene. Dann ließ er sich von Neagley die Heckler & Koch geben, stellte sie auf Einzelfeuer, wartete, bis der Kerl ihm den Rücken zukehrte, und schoss ihm von hinten durch die Kehle. Er bemühte sich, die Kugel genau dort zu platzieren, wo Froelich getroffen worden war. Die leere Patronenhülse wurde ausgeworfen und kam mit lautem Klirren auf dem sechs oder sieben Meter entfernten Tahoe auf. Der Mann schlug der Länge nach hin, und der Schnee um ihn herum verfärbte sich hellrot von seinem Blut. Der Schussknall verhallte. Reacher und Neagley standen reglos da, hielten den Atem an und lauschten angestrengt in die nun herrschende Stille.
    »Wie hast du das gewusst?«, fragte Neagley halblaut.
    »Das war Froelichs Pistole«, antwortete er. »Sie haben sie aus ihrer Küche gestohlen. Ich hab die Kratzer und Ölflecken wiedererkannt. Sie hatte die vollen Magazine ungefähr fünf Jahre lang in einer Schublade liegen.«
    »Sie hätte trotzdem funktionieren können«, meinte Neagley.
    »Das ganze Leben ist ein Glücksspiel«, sagte Reacher. »Von der Wiege bis zur Bahre. Findest du nicht auch?«
    Die Stille drückte auf ihr Gemüt. Und die Kälte. Ihnen wurde von all dem Adrenalin ein wenig übel.
    »Wie lange dauert die Sache in der Kirche?«, fragte er.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Neagley. »Vierzig Minuten? Eine Stunde?«
    »Dann brauchen wir uns also nicht zu beeilen.«
    Er watete durch den Schnee und grub seine Steyr wieder aus. Der Neuschnee begann bereits, die beiden Leichen zu bedecken. Reacher zog ihnen die Geldbörsen und Polizeiplaketten aus den Taschen, wischte die Klinge seines Messers am Mantel des Kerls aus Bismarck ab. Öffnete dann alle vier Türen des Tahoes, damit der Schnee hineinwehen und ihn schneller begraben konnte. Neagley säuberte die Pistole des anderen Kerls mit ihrer Jacke und ließ sie achtlos zu Boden fallen. Dann stapften sie zu dem Yukon und stiegen ein. Warfen einen letzten Blick zurück. Der Tatort verschwand rasch unter dem Schnee. Binnen achtundvierzig Stunden würde er unter einer dicken weißen Schicht liegen. Der eisige Wind würde alles in einer langen, in Ost-West-Richtung verlaufenden Schneewehe einfrieren, bis die Frühjahrssonne es wieder freigab.
    Neagley fuhr langsam. Reacher legte die Geldbörsen auf seine Knie und begann mit den Plaketten.
    »Provinz-Cops aus Idaho«, sagte er. »Aus irgendeinem Nest südlich von Boise, glaube ich.«
    Er steckte beide Plaketten ein. Klappte die Geldbörse des Kerls aus Bismarck auf. Sie bestand aus rissigem, braunem Leder, das sich der Körperform seines Besitzers angepasst hatte. Auf der Innenseite befand sich ein milchiges Plastikfenster, hinter dem ein Polizeiausweis steckte. Von dem Foto starrte ihn das hagere Gesicht des Manns an.
    »Sein Name war Richard Wilson«, sagte er. »Ein kleiner Kriminalbeamter.«
    In der Geldbörse steckten zwei Kreditkarten, ein Führerschein aus Idaho, verschiedene kleine Zettel und fast dreihundert Dollar in bar. Er schüttelte die Zettel auf seinen Schoß und steckte das Geld ein. Dann inspizierte er die Geldbörse des Kerls auf dem Überwachungsvideo. Sie bestand aus schwarzem Krokolederimitat und enthielt einen Dienstausweis derselben Polizeibehörde.
    »Peter Wilson«, sagte er. Er warf einen Blick auf den Führerschein. »Ein Jahr jünger.«
    Peter besaß drei Kreditkarten und etwas über zweihundert Dollar. Reacher steckte auch dieses Geld ein und schaute nach vorn. Im Osten war der Himmel klar. Die noch tief stehende Sonne schien ihnen in die Augen. Vor ihnen schwebte ein

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