Tödliche Absicht
streichen wir die halbe Chance. Wegen New York müssen Sie sich keine Sorgen machen! Dort war alles unsicher.«
»Bismarck hingegen nicht«, sagte Neagley. »Wir sind gegen Mitternacht angekommen. Mit Linienflügen von Chicago aus.«
»Ich habe Sie aus einer Meile Entfernung angerufen«, sagte Reacher. »Wegen der Musiker.«
Er gab ihr die beiden nächsten Fotos.
»Infrarotfilm«, erklärte er. »Nachtaufnahmen.«
Das erste Foto zeigte die Rückseite des Hauses der Familie Armstrong. Die Farben dieser Infrarotaufnahme waren verfälscht und verwaschen, aber das Bild war aus ziemlich geringer Entfernung aufgenommen. Alle Einzelheiten waren deutlich zu erkennen. Türen, Fenster. Froelich sah sogar einen ihrer Agenten im Garten stehen.
»Wo befanden Sie sich da?«, fragte sie.
»Auf dem Nachbargrundstück«, erwiderte Reacher. »Kaum dreißig Meter entfernt. Eine einfache Nachtübung, Einsickern in die feindlichen Linien bei Dunkelheit. Das lernt jeder Infanterist, lautlos und unerkannt. Ein paar Hunde haben gekläfft, aber denen sind wir ausgewichen. Die State Trooper in ihren Wagen haben natürlich nichts bemerkt.«
Neagley deutete auf die zweite Aufnahme. Sie zeigte die Straßenfront des Hauses. Gleiche Farben, gleiche Einzelheiten, gleiche Entfernung.
»Ich war auf der gegenüberliegenden Straßenseite«, sagte sie. »Hinter einer Garage.«
Reacher setzte sich auf der Bettkante etwas nach vorn. »Der Plan wäre gewesen, dass jeder ein M16 mit dem Aufsatz für Gewehrgranaten gehabt hätte und zusätzlich ein weiteres Sturmgewehr mit reichlich Munition. Vielleicht sogar ein Maschinengewehr M60 auf einer Dreibeinlafette. Zeit genug, um sie aufzubauen, hätten wir jedenfalls gehabt. Mit den M16 hätten wir Brandgranaten ins Haus geschossen, gleichzeitig je eine von vorn und hinten ins Erdgeschoss, und Armstrong wäre entweder in seinem Bett verbrannt, oder wir hätten ihn erschossen, wenn er aus der Tür gerannt oder aus einem Fenster gesprungen wäre. Angegriffen hätten wir gegen vier Uhr morgens. Der Schock und die Verwirrung wären vollkommen gewesen. Im allgemeinen Durcheinander hätten wir Ihre Agenten mühelos einzeln erledigen und das ganze Haus in Trümmer legen können. Vermutlich wäre uns auch die Flucht gelungen, und danach hätte eine Großfahndung begonnen, die uns dort draußen in der Provinz Probleme bereitet hätte, aber mit ein wenig Glück hätten wir’s vermutlich geschafft. Also wieder Edward Fox.«
Danach herrschte Schweigen.
»Das glaube ich nicht«, begann Froelich. Sie starrte die Fotos an. »Das kann nicht am Freitagabend gewesen sein, das war in irgendeiner anderen Nacht. Sie sind nicht wirklich dort gewesen.«
Reacher schwieg.
»Oder etwa doch?«, fragte sie.
»Nun, sehen Sie sich das an«, entgegnete Reacher. Er reichte ihr die nächste Aufnahme, ein mit einem Teleobjektiv gemachtes Foto. Es zeigte Froelich, wie sie mit dem Handy telefonierend am Fenster des Apartments über der Garage saß und in die Dunkelheit hinausstarrte. Ihre Wärmesignatur war in eigenartigen Rot-, Orange- und Purpurtönen abgebildet. Sie war es, ganz ohne Zweifel. Wie zum Greifen nahe.
»Ich habe mit New Jersey telefoniert«, bemerkte sie leise. »Mit Ihren Musikerfreunden hat alles problemlos geklappt.«
»Gut«, sagte Reacher. »Danke, dass Sie das arrangiert haben.«
Sie starrte die drei Infrarotfotos an und verharrte in Schweigen.
»Der Ballsaal und Armstrongs Haus boten also eindeutige Chancen«, sagte Reacher. »Zwei zu null für die Bösewichte. Aber der nächste Tag war wirklich übel. Gestern. Diese Veranstaltung auf dem Gelände des Gemeindezentrums.«
Er gab ihr das letzte Bild. Das Foto war mit gewöhnlichem Tageslichtfilm aus ziemlicher Höhe aufgenommen. Es zeigte Armstrong, der im Wintermantel über den Rasen des Gemeindezentrums schlenderte. In der tief stehenden Herbstsonne warf er einen langen Schatten. Er war von einer Gruppe von Menschen umringt, aber sein Kopf war deutlich sichtbar. Auch auf dieser Aufnahme war ein primitiver Zielkreis mit Fadenkreuz eingezeichnet.
»Ich war auf dem Kirchturm«, sagte Reacher.
»Die Kirche war abgesperrt.«
»Ab acht Uhr morgens. Ich war seit fünf Uhr oben.«
»Sie ist durchsucht worden.«
»Ich war ganz oben, wo die Glocken hängen. Eine Holzleiter hinauf, hinter einer Falltür. Ich habe Pfeffer auf die Leiter gestreut. Ihre Hunde haben das Interesse verloren und sind unten geblieben.«
»Das war eine Einheit der dortigen
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