Tödliche Aktien
darauf hindeutet, daß er jemanden in der Wohnung getroffen hat und dann mit ihm fortgegangen ist. Vielleicht ist er dort auch umgebracht worden. Bisher haben wir noch keinen Hinweis auf eine Verabredung gefunden. In seinem Notizbuch steht nichts.«
»Niemand, der was gesehen hat?«
»In diesem Viertel von Edinburgh treiben sich nachts ’ne Menge Leute herum. Da denkt sich niemand was dabei, wenn er einen Fremden sieht. Wir haben sechs Zeugen, die sechs verschiedene Beschreibungen liefern: von einem fünfzehnjährigen Mädchen bis zu einem fünfundfünfzigjährigen Mann. Ach ja, und dann noch von einem jungen Mann, ungefähr dreißig, groß und dunkelhaarig.«
»Ah, ich verstehe. Und deshalb möchten Sie jetzt mit mir sprechen.«
Morland räusperte sich. Mißbilligend hatte er Kerrs Geplauder verfolgt. Für ihn zumindest war ich ein Verdächtiger.
»Wo waren Sie gestern nacht, Sir?«
Ich verzog das Gesicht, als ich mich daran erinnerte. »Ich bin zu Hause in London gewesen. Heute morgen bin ich nach Edinburgh zurückgeflogen. Warten Sie, ich hab’ wahrscheinlich noch meine Bordkarte.« Ich zog sie aus der Tasche und zeigte sie Morland, der sie sich eingehend ansah.
»Vielen Dank, Sir. Gibt es Zeugen, die das bestätigen können?«
»Ja. Rachel Walker war da. Außerdem meine ehemalige Freundin Karen Chilcott.« Bei diesen Worten hob Kerr die Augenbrauen. »Inspector Kerr kennt sie.«
Kerr nickte Morland zu.
»Haben Sie irgendeine Vermutung, warum Doogie Fisher umgebracht worden ist?« fragte Morland.
Ich schüttelte den Kopf und blickte Kerr an. »Nein. Nichts außer den Dingen, die ich bereits mit Inspector Kerr besprochen habe. Warten Sie!« Ich suchte den Ausdruck der E-Mail von BOWL heraus, die ich am Tag nach dem Einbruch bekommen hatte. »Haben Sie das gesehen?« Morland nickte. Ich hatte Kerr eine Kopie geschickt. »Haben Sie ihm übrigens den Einbruch nachweisen können?«
»Nein«, sagte Kerr. »Es gab nicht genügend Beweise. Aber ehrlich gesagt, wir waren mehr daran interessiert, ihn mit dem Mord an Ihrem Bruder in Verbindung zu bringen.«
»Er könnte es ja trotzdem getan haben.«
Kerr kratzte sich wieder seine verwüstete Nase. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Sie haben keine Ahnung, worauf er da anspielt?« fragte er und blickte auf die E-Mail.
»Nicht die geringste. Obwohl es sich so anhört, als könnte es für FairSystems ziemlich unangenehm sein.«
»Nun, was immer es war, es muß wichtig gewesen sein. Und ich wäre nicht überrascht, wenn Doogie deshalb ermordet worden wäre. Wir wissen immer noch nicht, warum Ihr Bruder umgebracht worden ist. Aber wir gehen davon aus, daß er seinen Mörder gekannt hat. Vielleicht hat Ihr Bruder die gleiche Information besessen wie Doogie. Vielleicht ist er von derselben Person umgebracht worden.«
Das war möglich. Einleuchtend.
»Da ist noch etwas, das Sie wissen müssen«, sagte ich und fühlte mich plötzlich nicht sehr wohl in meiner Haut.
Ich holte das Foto aus einer Schublade. »Hier ist ein Bild von Yoshiki Ishida. Er arbeitet für Onada Industries, das japanische Unternehmen, das David Baker auf seine Seite gezogen hat, damit der den Japanern bei der Übernahme half. Die Stammgäste im Inch Tavern haben Yoshi als den Hiro Suzuki erkannt, hinter dem Sie her sind.«
Kerr griff nach dem Foto. »Wie lange haben Sie das Bild schon?«
»Ungefähr eine Woche.« Ich merkte, wie ich rot wurde.
»Und warum haben Sie es uns nicht früher gezeigt?«
»Ich wollte Yoshi damit selbst konfrontieren. Er sagt, er sei nur zum Golfen hiergewesen. Ich glaube, da steckt mehr dahinter.« Ich hatte es der Polizei nicht früher aushändigen können. Ihre Fragen an Yoshi hätten unsere Verhandlungen gefährden können. Das hatte ich nicht riskieren dürfen.
Kerr war zornig. »Hören Sie, junger Mann. Wenn Sie in Zukunft solche Informationen bekommen, dann teilen Sie sie uns auf der Stelle mit, verstanden? Wir stellen hier die Fragen.«
Ich hob die Hände. »Okay, okay. Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor.«
Kerr stand auf, um zu gehen, und steckte das Foto ein. »Jemand hat Richard und Doogie umgebracht, weil sie ihm im Weg waren. Scheint so, als stünden Sie nun selbst ein paar Leuten im Weg. Daher sollten Sie die Sache lieber ernst nehmen.«
»Mach’ ich«, sagte ich.
Als die beiden Polizisten an der Tür waren, rief ich ihnen nach: »Haben Sie mit David Baker über Doogie gesprochen?«
Kerr drehte sich um und sagte mißmutig: »Er hat sich
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