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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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wo ich ihn haben wollte: Er war verunsichert.
    »Also, wenn Sie mit der Polizei reden, dann bitten Sie sie wenigstens um Diskretion.«
    Ich gab keine Antwort, und er verließ den Raum.
    »Was halten Sie davon?« fragte ich Rachel.
    »Weiß nicht. Ich glaube, er sagt die Wahrheit.«
    »Hm. Ich bin nicht sicher, daß er die ganze Wahrheit sagt. Irgendwas verheimlicht er.«
    Wir warteten den ganzen Nachmittag und bestellten zum Abendessen eine Pizza. Ich wartete gern, denn mir war klar, daß Onada uns nicht hinhalten wollte, sondern nach einer Entscheidung suchte.
    Langsam kroch die Zeit dahin. Rachel war in Gedanken noch bei dem Gespräch, das sie am Morgen mit Steve geführt hatte, und sie fragte mich nach den Märkten und ihren Abläufen. Sie begriff sehr rasch, was ich ihr erläuterte, und mir machte es großen Spaß, ihr diese Dinge auseinanderzusetzen. Offenbar fand sie das Finanzgeschehen interessanter, als sie gedacht hatte. Doch als ich eine entsprechende Vermutung äußerte, stritt sie es ab und erklärte, die City sei ein Parasit im Pelz der britischen Gesellschaft. Vielleicht hatte sie recht.
    Um elf Uhr abends – oder sieben Uhr morgens japanischer Zeit – betrat Yoshi endlich wieder den Raum. Er sah müde aus.
    In der Hand hielt er einen Bogen Papier, der von Mr. Akama unterzeichnet war und in dem dieser sich grundsätzlich mit den von mir genannten Bedingungen einverstanden erklärte. Ich schüttelte Yoshi die Hand und lächelte. »Es ist ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Yoshi«, sagte ich und meinte es durchaus nicht nur ironisch. Dann verließen Rachel und ich das Gebäude.
    Ein regelrechtes Hochgefühl erfüllte mich, als wir auf die Straße traten, und Rachel ging es wohl nicht anders. Es tat richtig gut, endlich einen der vielen Räuber ausgetrickst zu haben, die uns seit einem Monat umkreisten. Und es war ein Riesengeschäft für FairSystems. Nicht nur daß wir die zweihunderttausend Dollar zu einem Zeitpunkt bekamen, zu dem wir sie händeringend brauchten, sondern wir hatten uns damit eine sichere Absatzmöglichkeit auf einem Softwaremarkt eröffnet, auf dem wir bislang noch nicht vertreten waren.
    Ein phantastisches Ergebnis, das die lange Warterei allemal wert war.
    »Und nun?« fragte Rachel. Es war zwanzig nach elf. Wir hatten vorgehabt, noch am selben Abend nach Edinburgh zurückzufliegen. Doch dazu war es jetzt zu spät.
    »Gleich um die Ecke gibt’s ein Hotel«, sagte ich. »Mal sehen, ob wir da ein Zimmer für dich kriegen.«
    Etwa hundert Meter waren es bis zur Betonburg Novotel, die ich am Morgen auf dem Weg zu Onada bemerkt hatte. Nichts mehr frei.
    Es konnte den ganzen Abend dauern, bis wir ein Hotelzimmer für Rachel fanden. »Komm mit zu mir«, sagte ich. »Ich habe ein Gästezimmer.«
    Rachel hob die Augenbrauen. »Und was wird Lady Karen davon halten?«
    Ich wurde rot. »Sie dürfte schlafen, wenn wir ankommen. Aber wenn du ihr morgen früh begegnest, sei höflich, ja?«
    »Ich will’s versuchen.« Rachel lächelte. »Gehen wir.«
    Also winkten wir ein Taxi herbei und fuhren zu meiner Wohnung. Zu meiner Überraschung gefiel es mir sehr, mit ihr und nicht mit Karen nach Hause zu fahren. Ich fühlte mich entspannter und wohler in ihrer Gegenwart. Bei Karen war ich aus dem einen oder anderen Grund immer auf der Hut. Irgend etwas gab es stets – entweder erledigte sich gerade ein Problem, das zwischen uns stand, oder am Horizont tauchte ein neues auf.
    Und ich konnte noch immer nicht fassen, daß sie mich in der Hauptversammlung im Stich gelassen hatte.
    Wir kletterten aus dem Taxi, und ich öffnete die Vordertür. Es war fast Mitternacht. Ich hoffte, Karen würde schon zu Bett gegangen sein. Ich mußte sie natürlich wecken, dachte aber, ihre Begegnung mit Rachel bis zum Morgen hinausschieben zu können. Wir stiegen die Treppe in den ersten Stock empor, wo ich Rachel das Gästezimmer zeigte. Sie blieb stehen und lauschte. Ich lauschte ebenfalls.
    Ganz leise drang Musik aus dem Wohnzimmer, ein Stockwerk höher. Die Musik aus der Fernsehserie »Twin Peaks«, eine CD, die Karen besonders gern hatte.
    Mist, dachte ich. Sie war noch auf, aber ich hatte nicht den Eindruck, daß sie uns gehört hatte.
    Behutsam betrat Rachel ihr Zimmer und schloß die Tür hinter sich. Offenbar legte auch sie keinen besonderen Wert darauf, Karen zu begegnen. Ich beschloß, ein paar Minuten zu warten, bevor ich nach oben ging, um mit Karen zu reden. So hatte Rachel Zeit genug, ins Bett zu

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