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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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ganz gerade, und die buschigen Augenbrauen standen schief zueinander. Ein männliches, anziehendes Gesicht. An dem kräftigen Hals zeigten sich weder Falten noch Fettpolster; überhaupt schien Sorenson gut in Form zu sein. Er sah aus, als könnte er immer noch Football spielen, doch das sorgfältig gebürstete weiße Haar und die kostspielige Golfkleidung verliehen ihm das Aussehen eines erfolgreichen amerikanischen Geschäftsmannes. Zweifellos hatte er Ausstrahlung. Aber es war weniger die Macht, die Geld verleiht oder die Weisungsbefugnis über Tausende von Angestellten, sondern eher der Eindruck von latenter physischer und psychischer Energie, im Augenblick ungenutzt, aber jederzeit abrufbar. Das ergab ein ganz besonderes Charisma.
    Der Blick war überwältigend. Von der Taymündung wehte eine frische Brise, und das graue Stadtbild von St. Andrews wirkte erstaunlich hell und freundlich in dem klaren, nördlichen Licht, an das ich mich allmählich gewöhnte. Auf diesem Vorgebirge in der östlichsten Ecke von Fifeshire lagen Seite an Seite zwei Pilgerstätten: der ehrwürdige graue Dom von St. Andrews, eines der ältesten religiösen Baudenkmäler Schottlands, und der Old Course, einer der herrlichsten und schönsten Golfplätze der Insel – das Ziel von Pilgerfahrten modernerer Art. Wenn ich mich nicht so sehr hätte konzentrieren müssen, um den verdammten Ball zu treffen, ihn in möglichst gerader Linie durch die Luft zu schicken und mich nicht lächerlich zu machen, hätte ich den Anblick sicherlich genossen.
    »Erzählen Sie mir ein bißchen, was Sie so machen«, sagte Sorenson auf dem Weg zu meinem Ball. »Richard sagte, Sie handeln mit Anleihen.«
    Also erzählte ich ihm davon. Für jemanden, der nicht im Wertpapiergeschäft war, bewies er eine bemerkenswerte Auffassungsgabe und brachte mich rasch dazu, daß ich ihm in allen Einzelheiten meine Vorstellungen über den Rentenmarkt und die besten Gewinnstrategien erläuterte. Er hörte aufmerksam zu und zeigte mit seinen Fragen, daß er genau begriff, wovon ich redete.
    »Wissen Sie, Ihr Geschäft hat offenbar viel Ähnlichkeit mit meinem«, sagte er. »Es ist einem raschen Wandel unterworfen. Die Technik verändert sich, die Märkte verändern sich. Um Erfolg zu haben, genügt es nicht, einfach schlau zu sein; man braucht Energie, Begeisterungsfähigkeit, die Bereitschaft, das Bestehende in Frage zu stellen. Man kann sich nicht einfach an die Regeln halten, weil sich die Regeln alle sechs Monate verändern. Deshalb kommen junge Menschen wie Sie und Richard so gut zurecht.«
    Er legte seinen Ball zum Abschlag hin und trieb ihn etwas nach rechts. Der Wind drückte ihn zurück, und er landete knapp vor dem Grün. Sorensons geschürzte Lippen drückten stumme Zufriedenheit aus. Mein Ball segelte genau halb soweit. Als wir uns auf den Weg zu ihm machten, redete Sorenson weiter: »Ich arbeite gern mit Leuten Ihres Alters zusammen. In meinen Jahren entwickelt man keine neuen Technologien mehr. Dazu fehlt einem die Energie. Aber wenn ich die richtigen Leute treffe, dann kann ich ihnen helfen.«
    »Wie machen Sie das?« fragte ich. Sorenson war wichtig für FairSystems’ Zukunft, daher wollte ich mehr über ihn wissen.
    »Teilweise habe ich es auf dem Footballfeld gelernt«, sagte er. »Um ein Footballspiel zu gewinnen, braucht man ganz ähnliche Fähigkeiten wie im Geschäftsleben. Siegeswillen, Teamgeist, eine Mischung aus Planung und Improvisation, und vor allem darf man sich nicht scheuen, den Ball an die Besten in der Mannschaft weiterzugeben, damit sie mit ihm anstellen, was in ihren Kräften steht. So habe ich, glaube ich, gelernt, wie man Menschen motiviert und nicht zuletzt mich selbst.«
    »Wie haben Sie angefangen?«
    »Nach dem Studium bin ich zur NASA gegangen. In den Sechzigern dachten wir alle, die Zukunft der Menschheit läge da draußen im All. Irgendwann habe ich begriffen, daß wir auf dem Holzweg waren. Die Zukunft lag in der Mikroelektronik, in Nanosekunden und nicht in Lichtjahren.
    Zwei hochtalentierte Burschen, die ich von Stanford her kannte, waren ans Palo Alto Research Center von Xerox gegangen. In den siebziger Jahren war es wohl das wichtigste Forschungsinstitut auf dem Computersektor. Dort arbeiteten meine Freunde an graphischen Benutzeroberflächen, also Softwaresystemen, die es dem Laien sehr erleichtern, einen Computer zu benutzen. Sie hatten einige sehr vernünftige Ideen zur wirtschaftlichen Nutzung, konnten Xerox aber nicht

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