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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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unseres Vaters, und Richard hatte so manchen eisigen Nachmittag mit ihm verbracht und gottverlassene Ufergebiete nach seltenen Watvögeln abgesucht. Die Bilder hatte ihm Dad im Laufe der Jahre geschenkt. An meinen Wänden hingen keine. Ich hatte aus meinem mangelnden Interesse für Vögel nie einen Hehl gemacht.
    Ein paar Fotografien hier und da. Meine Eltern in Hochzeitskleidung, meine Mutter, erschöpft und krank, Richard und ich, Richard auf einer Wanderung im Himalaya mit einer ehemaligen Freundin. Überall lagen Bücher und Zeitschriften herum, die meisten zum Thema Computer.
    Auf dem Sofa fand ich eine aufgeschlagene Biographie von Bill Gates, dem milliardenschweren Gründer von Microsoft. Ich hob sie auf. Bis Kapitel drei war Richard gekommen.
    Durch das Fenster konnte ich den Inch sehen und dahinter, am anderen Ufer, die kompakte Felssteinkirche mit ihrem stumpfen Turm. Teilweise wurde die Sicht durch die Rückseite des Bootsschuppens verdeckt. Ich ging in die Diele, um den Schlüssel zu suchen. Dort, wo er hätte hängen müssen, an einem Haken neben der Tür, war er nicht. Vermutlich hatte die Polizei nicht gewußt, wo er hingehörte. Als ich in die Küche schaute, sah ich den Schlüssel auf einem Schränkchen liegen. Ich steckte ihn ein und ging nach draußen, an der Rückseite des Hauses vorbei, bis ich vor dem kleinen, weißgekalkten Anbau stand. An der Tür zögerte ich und atmete tief durch.
    Beim Eintreten wanderten meine Augen automatisch zu der Stelle am Fußboden, knapp zwei Meter von der Tür entfernt, wo ich Richard fast eine Woche zuvor zum letztenmal erblickt hatte. Man hatte ein Stück vom alten Teppichboden ausgeschnitten und entfernt, so daß dort jetzt der nackte Zementfußboden zutage trat. Mühsam riß ich mich von dem Anblick los und sah mich im Bootsschuppen um. Es herrschte noch immer ein totales Durcheinander von Monitoren, Computern, Leiterplatten, auseinandergenommenen Datenbrillen, Kabeln und Papieren. Aber ich wußte, daß es ein Chaos mit System war. Ein paar Jahre zuvor hatte Richard mich stolz herumgeführt. Dieses Chaos hatte ihm beim Nachdenken geholfen, hier hatte er seine Einfälle auf kleinen Zetteln festgehalten, hier hatte er an seiner Soft- und Hardware herumgebastelt. Beim Fenster stand ein Compaq 486, die Tastatur abgenutzt und schmuddelig vom häufigen Gebrauch. Einen Augenblick blieb ich stehen und sah Richard vor mir, wie er stundenlang davor saß und sich den Kopf über irgendein haariges Problem zerbrach, das die meisten von uns noch nicht einmal verstanden, geschweige denn gelöst hätten. Viele der großen Computerunternehmen, so zum Beispiel Hewlett Packard und Apple, haben in Garagen angefangen. FairSystems sollte etwas Besonderes sein – ein Unternehmen, das nicht in einer Garage, sondern in einem Bootsschuppen begonnen hatte.
    Plötzlich überkam mich ein Frösteln. Ich verließ das kleine Gebäude und verschloß es sorgfältig hinter mir. Ich hatte nicht die Absicht, es so schnell wieder zu betreten.
    SECHS
    In sauberer ballistischer Kurve steuerte der Ball direkt auf die alte Eiche zu, gut sechzig Meter links von mir, prallte von ihr ab und landete zu meiner großen Erleichterung wieder auf dem Fairway. Ich bin nicht gerade das, was man einen guten Golfer nennt. Deshalb begnüge ich mich damit, den Ball möglichst gerade über kurze Entfernungen zu schlagen und allzu großen Hindernissen aus dem Wege zu gehen, so daß ich jedes Loch ziemlich konstant mit sieben Schlägen schaffe. Damit komme ich in der Regel ganz gut zurecht, solange ich nicht übermütig werde und anfange, den Ball zu weit zu schlagen. Das führt dann unvermeidlich zu verlorenen Bällen, aufgepflügten Fairways und massivem Frust. Bislang hielt ich mich ganz gut. Wir waren schon beim sechsten Loch, und noch kein einziger Ball war mir verlorengegangen.
    Natürlich spielte Sorenson viel besser als ich. Er war ein angenehmer Partner, der nicht mit Tips und Ermutigung geizte. Sich selbst gegenüber war er allerdings sehr streng. Jedesmal, wenn seine mächtigen Schultern den Schwung nicht in vollkommener Harmonie ausführten, verriet sein Gesichtsausdruck deutlichen Ärger. Wäre ich ein besserer Spieler gewesen, wäre die Runde vermutlich nicht ganz so unbeschwert verlaufen.
    Seit meiner Kindheit sah ich ihn zum erstenmal wieder. Er war hochgewachsen, kräftig gebaut und von der kalifornischen Sonne gebräunt. Sein flächiges Gesicht wies leichte Unregelmäßigkeiten auf. Die Nase war nicht

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