Tödliche Aktien
er. »Ich habe mir natürlich auch den Kopf darüber zerbrochen. Wissen Sie, ob die Polizei schon einen Anhaltspunkt hat?«
»Nein. Sie stellen nur einen Haufen Fragen.«
»Das kann man wohl sagen. Gestern nachmittag waren sie bei mir. Stundenlang haben sie mich genervt. Haben Sie irgendeinen Verdacht?«
»Na ja, ich weiß, daß Richard irgendwas auf dem Herzen hatte«, sagte ich. Und ich erzählte Sorenson, wie dringend Richard mich gebeten hatte, ihn aufzusuchen. »Hat er Sie in der Woche vor seinem Tod angerufen und Ihnen etwas mitgeteilt, was vielleicht von Bedeutung sein könnte?«
»Nein, ich glaube nicht.« Sorenson hielt einen Augenblick inne. »Ich glaube, wir haben die ganze Woche nicht miteinander gesprochen. Klar, er machte sich Sorgen über die Liquidität von FairSystems. Die machte ich mir auch. Mache ich mir noch immer. Aber ich hatte nicht den Eindruck, daß es ein besonders dringendes Problem gab.«
»Irgendwas über den Handel mit FairSystems-Aktien?«
»Auch davon hat er nichts gesagt. Vermutlich ist der Kurs gefallen, weil die Investoren Bedenken wegen der Risiken haben. Das geht mir nicht viel anders. Doch was soll’s, ich kann sowieso nichts machen. Ich darf meine Aktien erst zwei Jahre nach der Plazierung verkaufen. Außerdem habe ich nicht viele, gerade genug, um mein Interesse wachzuhalten.«
Die Zukunft von FairSystems bedrückte mich. »Jetzt, da Richard …«, ich zögerte, »… nicht mehr ist«, sagte ich schließlich, »wird FairSystems da nicht auseinanderfallen?«
Sorenson rieb sich nachdenklich das Kinn. »Könnte sein, aber ich hoffe nicht.«
»War Richard nicht der technische und wissenschaftliche Kopf?«
»Weitgehend ja, besonders in der ersten Zeit«, sagte Sorenson. »Aber FairSystems ist nicht nur Richard gewesen. Beispielsweise hat er sehr eng mit einer Frau namens Rachel Walker zusammengearbeitet. Rachel weiß fast über jedes Projekt von FairSystems Bescheid, und sie hat gute Leute, die für sie arbeiten. Außerdem stammt ein Großteil der Technologie gar nicht von FairSystems. Richard hat sehr geschickt mit anderen Unternehmen zusammengearbeitet. In einem VR-System vereinigen sich eine Vielzahl technischer Elemente. Für diese Integration ist FairSystems verantwortlich.«
Aufmerksam hörte ich zu. Sorenson fuhr fort: »Zu Richards besonderen Vorzügen gehörte die Fähigkeit, Menschen wie Rachel zu motivieren und Partner zu gewinnen, die technische Teilsysteme beisteuerten. Da wird er schwer zu ersetzen sein. Aber wir werden es versuchen.«
Sorenson machte einen langen Putt und verzog ärgerlich das Gesicht, als der Ball zwei Zentimeter vor dem Loch liegenblieb. Ich brauchte noch zwei Schläge, dann gingen wir zum nächsten Abschlag. Ich war zufrieden mit mir. Immerhin hielt ich mich ganz achtbar.
»Ich freue mich, morgen die Firma zu sehen«, sagte ich.
»Ich bin gespannt, was Sie für einen Eindruck haben werden. Unterschätzen Sie Rachel nicht. Sie ist erstklassig. Niemand weiß mehr über Virtuelle Realität als sie.
Sie leitet die Firma jetzt zusammen mit David Baker. Er ist für die geschäftliche Seite zuständig. Ich schätze ihn. Er hat einen Harvard-Abschluß und ist sehr ehrgeizig. Er will was aus FairSystems machen. Für so ein kleines Unternehmen hat er eine ziemlich eindrucksvolle Kundenliste zusammengetragen.«
»Und Sie glauben, diese Kombination klappt?« fragte ich.
»Theoretisch müßten sie sich ideal ergänzen«, meinte Sorenson und beförderte seinen Ball mit einem kurzen, scharfen Schlag aufs Grün. »Wie es praktisch läuft, weiß ich noch nicht.«
»Sollten wir nicht einfach verkaufen? Richard hat mir erzählt, es gebe einen Kauf Interessenten.«
»Vielleicht ist das die richtige Entscheidung. Ich persönlich würde mir die Firma lieber erst mal ansehen, bevor ich mich festlegte. Allerdings gibt es ein Problem.«
»Ach ja? Welches denn?«
»Ihren Vater.«
»Meinen Vater?«
»Ja. Er will nicht verkaufen.«
»Er will nicht verkaufen? Warum nicht? Wir sollten aussteigen, solange es noch geht.«
»Da läßt er nicht mit sich reden. Da FairSystems solche Bedeutung für Richard gehabt hat, hält er es für Unrecht, das Unternehmen zu verkaufen. Er sagt, wenn Richard nicht verkaufen wollte, dürften wir es auch nicht.«
»Können Sie ihm nicht klarmachen, daß er sich irrt?«
Sorenson blieb beim nächsten Abschlag stehen, richtete sich auf und sah mich an. »Geoff hat mir gesagt, daß Sie beide seit zehn Jahren nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher