Tödliche Aktien
Glenrothes war nur fünfundvierzig Autominuten von St. Andrews und seinem berühmten Golfplatz entfernt.
Richard hatte mir erzählt, er habe in Sorenson stets einen verständnisvollen Zuhörer und einen ermutigenden Partner gefunden. In den nächsten Wochen würde FairSystems seine Erfahrung sicherlich gut brauchen können.
»Die Sache mit Ihrem Bruder tut mir wirklich sehr leid. Er war ein großartiger Bursche und ein brillanter Wissenschaftler. Er wird in der gesamten Branche eine Riesenlücke hinterlassen.« Offenbar kamen Sorensons Bedauern und Hochachtung von Herzen. Ich war stolz auf meinen Bruder. »Seit zwanzig Jahren arbeite ich mit Unternehmern aus Kalifornien zusammen, und wirklich, Richard konnte mit den besten von ihnen mithalten.«
»Danke. Das konnte er bestimmt.«
»Wie Sie sich vorstellen können, ist diese Wendung ein schwerer Schlag für FairSystems. Die haben da oben natürlich keine Ahnung, was nun werden soll. Vorläufig habe ich zwei Leute aus der Firmenleitung, Rachel Walker und David Baker, mit der Unternehmensführung betraut, bis wir eine dauerhafte Lösung gefunden haben.« Sorenson sprach geschäftsmäßig und strahlte jene Zuversicht aus, die in dieser verfahrenen Situation bitter not tat. »Wie Sie wahrscheinlich wissen, wohne ich in den Staaten, habe aber vor, in der nächsten Woche rüberzukommen, um alles Notwendige zu regeln.«
»Gut«, sagte ich.
»Sie und Ihr Vater sind jetzt die beiden Hauptaktionäre. Wie gut kennen Sie das Unternehmen?«
»Eigentlich kaum«, sagte ich. »Na ja, ich weiß ungefähr, was hergestellt wird, aber ich bin nie in Glenrothes gewesen. Als ich Geld hineingesteckt habe, wollte ich Richard helfen, sonst nichts.«
»Okay«, sagte Sorenson. »Dann denke ich, es wäre das beste, wenn Sie nach Glenrothes kommen und dort eine Zeitlang bleiben würden. Können Sie das einrichten?«
»Sehr gern«, sagte ich. »In der nächsten Woche wollte ich sowieso Richards Sachen durchsehen.«
»Gut, ich bin am Sonntag in Schottland. Ich wollte in St. Andrews ein bißchen Golf spielen. Haben Sie nicht Lust, mir dabei Gesellschaft zu leisten? So könnten wir uns ein bißchen kennenlernen.«
»Gern«, sagte ich. »Wir sehen uns dort.«
Am Samstag fuhr ich nach Kirkhaven. Ich hatte mich für die Autofahrt entschieden, weil mir die private Abgeschlossenheit meines BMW lieber war als die Enge eines Flugzeugs, die den Fremden links und rechts von mir Gelegenheit gegeben hätte, in meine Trauer einzudringen.
Bob Forrester hatte ich mitgeteilt, ich wüßte nicht, wie lange ich fortbleiben würde. Er ließ mich widerspruchslos ziehen; ehrlich gesagt, ich glaube nicht, daß ich in meiner derzeitigen Verfassung von großem Nutzen war. Ed hinterließ ich exakte Anweisungen, wann er verkaufen sollte, wenn sich der Markt in die eine oder andere Richtung bewegte.
Die Sonne stand schon tief, als ich die Forth Road Bridge nach Fifeshire überquerte. Ich fuhr an den grauen Kästen von Cowdenbeach vorbei, ließ Glenrothes im Norden liegen und folgte der Straße, die, einen guten Kilometer von der Küste entfernt, nach Kirkhaven führte. Vor der Polizeiwache hielt ich an, um mir die Schlüssel zu holen, und fuhr dann die engen Straßen zum Kai hinab. Dann stand ich vor Inch Lodge.
Ich schloß auf und machte einen Rundgang. Das Haus trug eindeutig Richards Handschrift. Sauber, funktional, wenig schmückendes Beiwerk. Zunächst blickte ich in die Küche. Altmodisch und viel Holz. Beherrschend war der große alte Eichentisch, an dem wir lange beim sonntäglichen Frühstück zu sitzen pflegten, plauderten und die Zeitung lasen. Ich ging in die Diele zurück und stieg die zwei Stufen zum Wohnzimmer hinauf. Mein Blick fiel auf den großen Steinkamin. Es gab mir einen Stich, als ich im Korb das sauber geschichtete Feuerholz erblickte. Eingerichtet war das Zimmer mit Möbelstücken, die ich aus der Kindheit kannte: die Standuhr, die Anrichte, das Schreibpult meiner Mutter. Er hatte sie alle nach dem Tod meiner Mutter aus dem Haus in der Banbury Road übernommen. Ich untersuchte die Uhr. Lächelnd betrachtete ich die Kerben, die ich dreißig Zentimeter über dem Boden hineingeschnitten hatte, als ich sechs war und die Tage meiner Einkerkerung durch Piraten hatte zählen wollen. Was hatte das für einen Aufstand gegeben!
An den Wänden befanden sich, säuberlich aufgehängt, etliche Bilder von Seevögeln. Richard hatte sich nie viel aus Vögeln gemacht, aber sie waren die Leidenschaft
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