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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Ich hoffte, Donaldson würde nicht zu viele Fragen stellen.
    Ich dachte an einschlägige Fälle. Viel wußte ich nicht darüber, aber doch so viel, daß die Aktienkurse unmittelbar vor der Ankündigung einer Übernahme nach oben klettern, weil Leute mit Insiderkenntnissen in Erwartung der Ankündigung Aktien kaufen. Der Kurs von FairSystems war aber gefallen und nicht gestiegen. Trotz Richards Theorie vermochte ich darin nichts Geheimnisvolles zu erkennen.
    Gegen Mittag traf ich in Glenrothes ein. Das Städtchen breitet sich zu Füßen dreier flacher Hügel aus. Es ist von einem Industriegebiet umgeben, lauter Grundstücken, auf denen rechteckige, fensterlose Werkhallen aus Metall stehen. Über dem Ganzen hing eine niedrige graue Wolkendecke. Bewegungen, Geräusche oder Rauch waren kaum zu entdecken. Wenn unter diesen Metallkokons Maschinen arbeiteten, dann taten sie es still und diskret.
    Von Richard hatte ich ein bißchen über die Geschichte von Glenrothes erfahren. Der Ort war als städteplanerische Neugründung in den vierziger Jahren entstanden und rasch gewachsen, als Bergleute aus Westschottland zugezogen waren, um in der gewaltigen Kohlengrube von Rothes zu arbeiten. Doch die hatte sich als unrentabel erwiesen und war schon nach wenigen Jahren geschlossen worden. Seither unternahm die Stadt energische Anstrengungen, sich zu einem »Silicon Glen« zu entwickeln, also einer schottischen Version von Silicon Valley. Und es war ihr gelungen, ausländische Investoren zu finden, die ihr Geld überwiegend in die High-Tech-Industrie steckten. Größter Arbeitgeber war das amerikanische Unternehmen Hughes Electronics.
    Die Fabrikhalle von FairSystems lag wie alle anderen im Industriegebiet. Als vor drei Jahren ein einheimisches Computerunternehmen Konkurs gemacht hatte, hatte Richard das Gebäude billig von der Stadt mieten können.
    Dabei handelte es sich um einen großen rechteckigen Metallkasten, grau gestrichen und größer als die meisten Hallen in der Umgebung. Draußen war an verschiedenen Stellen das Firmenzeichen angebracht, eine orangefarbene aufgehende Sonne mit der Aufschrift FairSystems . Nur an der Vorderseite des Gebäudes befanden sich Fenster.
    Ich fuhr auf den Parkplatz und ging auf dem Teerbelag an einem frisch angelegten Garten vorbei, der die Fabrikfront verschönern sollte. Schmächtige Bäumchen standen verloren auf spärlich bepflanzten Blumenbeeten. Zu beiden Seiten von FairSystems standen ähnlich gesichtslose Fabrikgebäude. Dahinter begann Brachland, das sich zu einem kleinen, von Kühen begrasten Hügel hinzog.
    Der Empfangsbereich war hell und freundlich. Das Mädchen hinter dem Schalter hatte kurzes rotes Haar und trug ein schlichtes schwarzes Kleid. Auf einem Stuhl hinter dem Schalter lag ein zerlesenes Exemplar von »Anna Karenina«. Als ich ihr meinen Namen nannte, bat sie mich, Platz zu nehmen und auf Mr. Sorenson zu warten.
    Also setzte ich mich und wartete. Ich war neugierig auf die Firma. Sie hatte schließlich eine so wichtige Rolle in Richards Leben gespielt – und wahrscheinlich auch bei seinem Tod.
    Das Mädchen am Empfang starrte gelangweilt zur Tür hinaus.
    »Lesen Sie ruhig weiter«, sagte ich. »Mich stört das nicht.«
    Etwas schuldbewußt wandte sie sich wieder ihrem Buch zu. Nach ein oder zwei Absätzen blickte sie erneut hoch.
    »Mr. Fairfax«, begann sie nervös.
    »Ja?«
    »Das mit Ihrem Bruder … Es tut mir entsetzlich leid.«
    Ich rang mir ein mühsames Lächeln ab.
    »Das gilt für alle hier«, fuhr sie fort. »Er war sehr nett. Wir mochten ihn alle.«
    Allmählich gewöhnte ich mich daran, Beileidsbezeugungen entgegenzunehmen. Aber sie meinte es offenkundig ehrlich. Ich schluckte und bemühte mich, die Tränen zurückzuhalten.
    »Danke«, sagte ich einfach.
    Sie warf mir ein rasches Lächeln zu und setzte ihre Lektüre fort.
    Wenig später tauchte Sorenson in Begleitung eines Mannes auf, den ich nicht kannte. »Hallo, Mark. Schön, daß Sie es einrichten konnten. Herrlicher Tag gestern. Und was für ein Golfplatz, nicht wahr?« Er gab mir die Hand. »Leider bin ich heute so beschäftigt, daß ich Sie nicht herumführen kann. Aber das ist wahrscheinlich ganz gut so. Dann können Sie gleich David hier und Rachel kennenlernen, die Ihnen die Fabrik zeigen werden.«
    David Baker reichte mir die Hand. »Willkommen bei FairSystems, Mark.« Sein Englisch hatte eine leicht schottische Färbung mit amerikanischem Akzent. Er war Anfang Dreißig, mittelgroß und schlank.

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