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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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aussehende Cyberspace-Ausrüstungen – lange Metallarme, monströse Datenhelme und wüstes Kabelgewirr. Auf den meisten Bildern war Richard der Benutzer, aber auf ein oder zwei sah man Rachels dunkle Locken unter dem klobigen Helm hervorquellen.
    Sorenson trug ein kurzärmeliges Hemd mit offenem Kragen und eine Hose mit scharfer Bügelfalte. Obwohl er keinen Anzug anhatte, sah er gepflegter und geschäftsmäßiger aus, als es mir je möglich sein würde. Vor ihm war ein Stapel Papiere sauber aufgeschichtet, daneben lag ein brauner, offensichtlich weitgereister Aktenkoffer.
    »Nun, Mark, was meinen Sie?«
    »Ein interessantes Unternehmen«, sagte ich. »Faszinierend. Es stellt ein paar sehr eindrucksvolle Produkte her.«
    Sorenson lächelte. »Kommen Sie, Mark. Sagen Sie, was Sie wirklich denken. Sie sind Hauptaktionär und kein Angestellter. Also sind Sie unabhängig. Ihre Meinung interessiert mich.«
    Geschmeichelt nahm ich zur Kenntnis, daß er es ernst meinte. So hielt ich mit meiner Meinung nicht hinterm Berg.
    Den ganzen Tag war ich mit Informationen überschüttet worden, die ich zu verarbeiten versuchte. Es war ein einziges Durcheinander, aber ein Durcheinander, das mir vertraut war. Es hatte große Ähnlichkeit mit den Problemen, mit denen ich als Trader täglich zu tun bekam. Hier wie dort stand viel auf dem Spiel. Es galt, eine Vielzahl verschiedener Fragen zu berücksichtigen, einige quantifizierbar, andere nicht. Und eine Entscheidung war unaufschiebbar.
    Mit der Lösung derartiger Probleme war ich vertraut. Man zerlege das Problem in eine Reihe von Faktoren, die das Endergebnis beeinflussen, gewichte jeden Faktor gemäß seiner Bedeutung, fasse ins Auge, was im schlimmsten Falle geschehen könnte, bewerte die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ausgangs, quantifiziere die Wahrscheinlichkeit des günstigsten Ausgangs und wäge die beiden gegeneinander ab. Dabei klammere man nach Möglichkeit alle emotionalen Einflüsse aus, die die Analyse beeinträchtigen könnten, fälle eine Entscheidung und setze sie in die Tat um.
    Mit dieser Vorgehensweise war ich in der Vergangenheit so gut gefahren, daß sie mir zur zweiten Natur geworden war.
    »Zunächst gilt es zu klären, welche langfristigen Aussichten das Unternehmen hat«, begann ich. »Selbst wenn man berücksichtigt, daß die Mitarbeiter nicht ganz objektiv sind, sind die Chancen wohl enorm. Eines Tages wird man auf dem Weltmarkt für Virtuelle Realität viele Milliarden Dollar umsetzen, und gegenwärtig gehört FairSystems offenbar zu den zwei oder drei Marktführern. Bislang ist noch keines der großen Unternehmen in die Technologie eingestiegen, doch selbst wenn das der Fall sein sollte, wäre der einfachste Weg zum Erfolg der Aufkauf von Unternehmen wie FairSystems.«
    Sorenson hörte aufmerksam zu. Ermutigt fuhr ich fort.
    »Noch weiß niemand mit Sicherheit, welche VR-Anwendungen am besten einschlagen werden. Doch FairSystems ist mit sehr unterschiedlichen Applikationen befaßt. Deshalb wird es mit größter Wahrscheinlichkeit jede Chance wahrnehmen können, ganz gleich, in welchem Bereich sie sich ergibt. Und auch die Kundenliste des Unternehmens ist beeindruckend.
    Die Probleme sind kurzfristiger Natur. FairSystems fehlt es an Kunden, die mehr als ein oder zwei Systeme zur Zeit abnehmen. Im letzten Jahr hat das Unternehmen rund hundert Systeme zu vierzigtausend Dollar das Stück geliefert. Irgendwann wird die Nachfrage steigen, so daß nicht mehr Hunderte, sondern Tausende von Systemen geliefert werden, und dann wird der Rubel rollen. Doch das müßte sehr bald geschehen, sonst scheitert die Firma an ihren Liquiditätsproblemen.«
    »Also, was tun wir?« fragte Sorenson.
    »Schwer zu sagen«, meinte ich. »In den Händen eines kapitalstarken Unternehmens wäre FairSystems eine echte Trumpfkarte. Ein gutbetuchtes Mutterunternehmen könnte jede Geldknappheit so lange überbrücken, bis der Markt endlich explodiert. Doch auf sich allein gestellt, ohne neuen Börsengang, ohne eine Bank, die interessiert ist, ist das Unternehmen sehr anfällig.«
    Daran war weder FairSystems noch Richard schuld. Ich wußte, daß sich viele High-Tech-Unternehmen in Amerika in dem gleichen Dilemma befanden. Einige machten Pleite, andere fanden durch die unzähligen Risikokapitalfonds in den USA oder durch die NASDAQ Zugang zu Geldmitteln. Aber es gab natürlich nur eine begrenzte Geldmenge, die die Amerikaner in Träume investierten, und selbstverständlich sahen sie ihre

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