Tödliche Aktien
daß es mir ziemlich gut gelungen war. Das gleiche erwartete ich nun von ihm: eine sachliche Erörterung von Fakten und am Schluß eine vernünftige Entscheidung. Ich umklammerte den Telefonhörer etwas fester und unterdrückte meinen Ärger.
»Wenn wir nicht verkaufen, bleibt gar nichts. Ich weiß, daß die Aktien auf viereinhalb Dollar gefallen sind, aber wenn wir das Unternehmen geschickt anbieten, können wir mehr dafür bekommen. Vielleicht acht. Das sind mehr als drei Millionen Dollar für deinen Anteil, Dad.«
Das verschlug ihm die Sprache, aber nur für einen Augenblick. »Finanziell mag das ja vernünftig sein. Aber wenn Richard nicht wollte, daß wir verkaufen, dann werde ich es nicht tun, und du solltest es auch nicht.«
Die Knöchel an der Hand, die den Telefonhörer umklammerte, traten weiß hervor. Von meinem Vater mußte ich mir nicht sagen lassen, was ich zu tun hatte. Das Recht dazu hatte er vor zehn Jahren verloren.
»Was hält Walter davon?« fragte er.
»Weiß ich nicht. Ich habe ihm meine Auffassung dargelegt. Und er hat gesagt, er will noch heute abend mit dir sprechen. Ihm ist sehr daran gelegen, daß wir uns einigen, weil wir die beiden Hauptaktionäre sind.«
»In Ordnung. Ich traue seinem Urteil. Ich werde mit ihm sprechen, aber ich werde meine Auffassung nicht ändern.«
»Na ja, dann … Wiedersehen, Dad.« Ich legte auf.
Ich war wütend. Verkaufen war die einzig vernünftige Entscheidung. Und da kam ausgerechnet mein Vater daher und wollte mir erzählen, was ich zu denken hatte.
Ich stand auf, atmete tief durch und blickte durchs Wohnzimmerfester auf den Inch.
Natürlich war ich vor allem deshalb so zornig, weil mein Vater recht hatte. Die Abwehrmechanismen, die ich gegen die »emotionalen Gesichtspunkte« errichtet hatte, zerbröckelten, und nun stürmten diese verdrängten Aspekte auf mich ein. Mein Vater und Rachel wollten das Unternehmen in seiner jetzigen Form erhalten. Weder meinem Vater noch Rachel Walker war ich in irgendeiner Weise verpflichtet, aber den Grund, der sie zu ihrer Haltung veranlaßte, konnte ich nicht so leicht abtun – Richard.
Wieder meldeten sich die Schuldgefühle. Der Streit, den wir kurz vor seinem Tod hatten. Daß ich ihm nicht gleich zu Hilfe geeilt war, als er mich darum gebeten hatte. Dad hatte völlig recht, FairSystems war alles, was von Richard geblieben war, und nun schlug ich vor, es abzustoßen.
Doch wenn ich es nicht tat, würde die Firma pleite gehen, und dann wäre auch alles weg. Und das wäre obendrein noch eine Dummheit.
Ich rief Karen an. Es tat gut, ihre Stimme zu hören. Ich berichtete ihr von FairSystems und den Problemen, die es mir bereitete. Dann erzählte ich ihr, daß ich mich zum Verkauf entschieden und daß ich deshalb einen Streit mit meinem Vater gehabt hätte. Es half, darüber zu reden.
»Nun, was meinst du?« fragte ich.
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Du hast recht, es ist schwierig. Ich meine, wegen Richard wäre es sicherlich schön, das Unternehmen zu halten, aber wenn es über kurz oder lang sowieso kein Unternehmen mehr gibt, dann hat das wenig Sinn.«
»Wie froh bin ich, endlich eine vernünftige Meinung zu diesem Thema zu hören«, sagte ich erleichtert.
»Aber ich glaube nicht, daß du dich einfach über deine Gefühle für Richard hinwegsetzen kannst«, fuhr Karen fort. »Du kannst es versuchen, aber es wird dir nicht gelingen. Du mußt tun, was du für richtig hältst. Die Entscheidung kann dir niemand abnehmen – weder ich noch dein Vater oder Sorenson. Vertrau deinem eigenen Urteil. Ich tue es.«
»Danke. Du hast mir sehr geholfen.« Das hatte sie wirklich.
»Wie kommst du zurecht?«
»Es geht.«
»Ist es schwer da oben in Kirkhaven?«
»Ja. Obwohl es in gewisser Weise schön ist, von Richards Dingen umgeben zu sein. Von seinem Leben. Aber es macht seinen Tod noch spürbarer. Hier läßt er sich nicht verdrängen.«
»Meinst du, es ist klug, in seinem Haus zu wohnen?«
»Ja, ich muß mich damit abfinden, daß es ihn nicht mehr gibt. Ich muß den Tatsachen ins Gesicht sehen.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte sie. »Laß dich nicht unterkriegen. Du fehlst mir.«
»Du mir auch.«
Ich legte auf und blickte mich um. Was ich Karen gesagt hatte, war richtig. Es tat gut, in Richards Haus zu leben. Sicher, es tat auch weh, aber es war die richtige Entscheidung.
Ich saß in einem Sessel im Wohnzimmer. Im wesentlichen war der Raum noch so, wie ich ihn vorgefunden hatte. Die
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