Tödliche Aktien
mir die Kursbewegungen erläutern?« fragte ich. »Nach diesem anfänglichen Anstieg blieben die Aktien ein paar Monate bei zwölf Dollar und sind dann auf sechs abgerutscht, nicht wahr?« Seit Richards Tod waren sie noch tiefer in den Keller gegangen, aber das war schwerlich die Schuld von Wagner Phillips.
»Ja, das war enttäuschend. Aber wissen Sie, das Unternehmen hat nicht gehalten, was es im Prospekt versprochen hat.«
So leicht kam er mir nicht davon. »Aber das Unternehmen hat keinerlei Informationen verlauten lassen, bevor der Preis fiel beziehungsweise bis mein Bruder starb.«
»Die amerikanischen Märkte erwarten rasche Resultate, Mark.« Obwohl Wagner höflich blieb, schlich sich jetzt ein Unterton in seine Stimme, der mir bedeutete, daß ich keine Ahnung hätte, wovon ich redete, und daß ich die Angelegenheit gefälligst Fachleuten überlassen solle. Nicht ausgesprochen grob, aber wirkungsvoll genug, um mich zu verunsichern.
»Ich habe mir die Kursbewegungen genau angesehen«, sagte ich. »Es muß noch einen anderen Grund für den Preisverfall geben, vor allem bei dem hohen Umsatzvolumen der Aktien. Woran liegt das?« Mir war klar, daß sich das ziemlich aggressiv anhörte, aber ich dachte, auf eine klare Frage müsse er mir eine klare Antwort geben.
Ich hatte falsch gedacht. »Himmel, der Markt verhält sich manchmal unlogisch. Damit müssen wir alle leben.«
»Was sagen Sie Ihren Kunden über uns?«
Wagner überlegte einen Augenblick. »Ich würde sagen, wir äußern uns im Augenblick etwas vorsichtig. Nicht negativ, nur vorsichtig.« Er sah mein Stirnrunzeln. »Sie müssen das verstehen, Mark, unsere Analytiker haben das Recht, sich zu einer Aktie eine eigene Meinung zu bilden. Mir wäre es lieber, wenn sie sich positiver äußern würden, aber ich kann ihnen nicht vorschreiben, was sie denken sollen.«
Lächerlich! Er konnte es nicht nur, er tat es. Ganz offensichtlich hatte er seinen Verkäufern und Analytikern die Anweisung gegeben, FairSystems schlechtzumachen. Das war der Grund für den Kursverfall.
»Also, wer kauft?«
»Tut mir leid, das darf ich nicht sagen.«
»Sie dürfen das nicht sagen? Sie sind doch Broker, oder nicht?«
»Es ist eine schwierige Situation«, sagte Wagner entschuldigend. »Aber unsere Kunden erwarten nun mal von uns, daß wir ihre Abschlüsse vertraulich behandeln. Darüber können wir uns nicht hinwegsetzen.«
»Ein Käufer oder mehrere?«
»Ich weiß nicht genau«, sagte Wagner. »Ich nehme an, es sind mehrere.«
Das nahm ich ihm nicht ab, aber es war klar, daß er mir mehr nicht sagen würde.
»Die Geschichte mit Richard tut mir aufrichtig leid«, sagte Wagner und stocherte in seinem Salat. »Ein verdammt kluger Kopf. Wie ist es, in seine Fußstapfen zu treten?«
»Interessant«, sagte ich.
»Nicht ein bißchen schwierig?«
»Eigentlich nicht«, log ich. »Die Firma hat hervorragende Leute, vor allem im technischen Bereich. Wir kommen gut zurecht.«
In Wagners Augen konnte ich lesen, daß er mir nicht glaubte. Aber er hatte nicht die Absicht, mir zu widersprechen. »Aha. Nun, wenn es anders kommen sollte, wäre ich vielleicht in der Lage, einen Käufer zu finden.«
Was für ein gerissener Typ! Ich wußte, daß er längst einen Käufer hatte. Aber er wollte, daß ich ihn beauftragte, einen für uns zu suchen. Mehr Provision, keine Frage!
»Ja, Richard hat erwähnt, daß Sie einen Kaufinteressenten haben. Wer ist es?«
Wagers Augen verengten sich etwas. Daß Richard mir davon erzählt hatte, kam offenbar überraschend für ihn. Aber er fing sich rasch. »Tut mir leid, kann ich Ihnen nicht sagen. Er will unbedingt anonym bleiben.«
»Aber Sie sind unser Broker«, erinnerte ich ihn noch einmal. »Sind Sie nicht verpflichtet, uns zu informieren?«
Wagner lächelte und zuckte die Achseln. »Mir sind die Hände gebunden.«
»Was will er zahlen?«
»Na ja, der Aktienkurs liegt heute bei viereinhalb Dollar und fällt weiter. Mehr als ein Aufgeld von dreißig Prozent können Sie kaum erwarten. Also, sechs Dollar, nehme ich an.«
Sechs Dollar. Weit weniger als die zehn Dollar bei der Plazierung. Aber immerhin, bei den fast vierhundertundachtzigtausend Aktien, die ich jetzt besaß, wären das mehr als zweieinhalb Millionen Dollar für mich gewesen. Möglicherweise waren sechs Dollar das beste Angebot, das wir bekommen konnten. Ich mußte mir Wagner warmhalten. Einen Moment lang bedauerte ich, so aggressiv gewesen zu sein.
Ich bemühte mich um mehr
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