Tödliche Aktien
sein. Trotzdem glaube ich, daß hier viel zu machen ist für Firmen wie die unsere, die wissen, wie man junge Unternehmen finanziert.«
»Hoffentlich haben Sie recht«, sagte ich. »Erzählen Sie mir ein bißchen über Wagner Phillips. Bei Aktien kleiner Unternehmen haben Sie einen guten Ruf. Aber sehr lange sind Sie noch nicht im Geschäft, oder?«
»Demnächst haben wir unseren vierten Geburtstag. Dwayne Phillips und ich haben die Firma mit einem halben Dutzend alter Kollegen gegründet. Heute beschäftigen wir hundert Leute. Wir hatten ein paar gute Jahre. Es ist nicht schlecht gelaufen.« Wagners Stolz war unüberhörbar.
»Sehr eindrucksvoll. Wo waren Sie vorher?«
»Drexel Burnham. Sicher erinnern Sie sich. Sie sind ja vom Fach.«
»Klar.« Drexel war aus der Anonymität zu einer der einflußreichsten Investmentbanken an der Wall Street aufgestiegen. Die Firma hatte den größten Leveraged-Buyout in der Geschichte der Übernahmeattacken organisiert. Am Ende hatten Kohlberg Kravis und Roberts den Lebensmittelkonzern RJR Nabisco für fünfundzwanzig Milliarden Dollar gekauft. Ermöglicht hatte das alles das Finanzgenie Michael Milken, ein Einzelgänger, der sich über alle Regeln hinweggesetzt hatte und dafür im Gefängnis gelandet war. Schließlich hatte auch Drexel sein Glück überstrapaziert und war 1990 pleite gegangen.
»Vermutlich haben Sie keine sehr schmeichelhaften Dinge über Drexel gehört«, sagte Wagner, »und zweifellos sind am Ende auch einige Leute in der Firma zu weit gegangen. Aber es gab da auch ein paar außergewöhnlich begabte Leute, echte Unternehmertypen. Ich dachte mir, das ist der richtige Menschenschlag, um jungen, aufstrebenden Unternehmen beim Gang an die Börse zu helfen. Das war die Zielsetzung, mit der wir Wagner Phillips gegründet haben.«
»Und hat es geklappt?«
»Und wie! Wir haben inzwischen über hundert Erstemissionen gemanagt. Das sind hundert Unternehmen, die Kapital am Aktienmarkt aufgenommen haben, um Amerika mit neuen Ideen und Arbeitsplätzen zu versorgen.« Wagner zögerte und fügte dann lächelnd hinzu: »Und Schottland natürlich auch.«
»Und wer kauft diese Aktien?«
»Oh, eine Vielzahl von Institutionen und Einzelpersonen. Wir haben keine Angst vor Risiken, ebensowenig wie die Investoren, an die wir uns wenden. Häufig sind es Unternehmer, die auf ihrem Gebiet Erfolg gehabt haben. Sie vertrauen uns, und wir kümmern uns um ihr Geld.«
Aha, Mastvieh! Die Lieblingsspezies jedes Brokers. Mastvieh sind Investoren, die alles schlucken – das heißt, kaufen –, was ihnen der Broker in den Hals stopft.
»Dann können Sie also viel Geld nach freiem Ermessen investieren?« fragte ich unschuldig.
Wagner lächelte. »Sagen wir so: Uns gefällt der Gedanke, daß wir eine kleine Gemeinschaft von Investoren und Unternehmen geschaffen haben, die gemeinsame Ziele und Bestrebungen haben. Das ist auch Mike bei Drexel, finde ich, sehr gut gelungen. Und alle profitieren bei uns davon.«
»Und zu dieser Gemeinschaft gehört FairSystems?«
»Sicher«, sagte Wagner lächelnd. »Und wir werden auch weiterhin an Ihrer Seite sein.«
Ich war mir gar nicht so sicher, ob FairSystems gut daran tat, zu Wagners kleinem, erlesenem Kreis zu gehören. Gewiß, Michael Milken hatte seinen Erfolg vor allem einem Netz von Kunden zu verdanken, die ihm alle den einen oder anderen Gefallen schuldeten; das hatte ihm die Macht gegeben, selbst die größten Unternehmen Amerikas das Fürchten zu lehren. Für viele seiner Kunden hatte sich das System auch ausgezahlt, doch weit mehr noch endeten im Bankrott oder im Gefängnis.
Unser Essen kam und beschäftigte uns eine Zeitlang. Wagner schien von seinem Salat nicht besonders angetan, während mir mein Wild ausgezeichnet schmeckte. Auch der Wein war gut. Ich blickte mich um. Das Restaurant füllte sich mit Geschäftsleuten und ein paar individualistischen Amerikanern, die die ausgetretenen Touristenpfade verlassen hatten.
»Erzählen Sie mir von der Plazierung im letzten November.«
»Wir waren sehr zufrieden mit ihr«, sagte er. »Wir erzielten einen Kurs von zehn Dollar, und selbstverständlich wurde die Aktie schon nach wenigen Tagen mit einem Aufgeld von zwanzig Prozent gehandelt. Wir konnten eine Vielzahl von Investoren interessieren, die Aktienkäufe waren breit gestreut. Kein schlechtes Ergebnis.«
Und eines, das FairSystems mehr als eine Million der acht Millionen aufgenommenen Dollar gekostet hatte, dachte ich.
»Können Sie
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