Tödliche Beute
gefolgt, das aus mehreren dunkel verglasten Etagen bestand, die man auf alten Washingtoner Fundamenten errichtet hatte.
Austin las das Schild neben der Eingangstür und glaubte im ersten Moment, er müsse sich in der Adresse geirrt haben. Angesichts der Tatsache, dass zwischen der Familie Aguirrez und den spanischen Behörden im Laufe der Jahrhunderte des Öfteren gespannte Verhältnisse geherrscht hatten, wäre Kurt nie auf den Gedanken gekommen, Balthazar ausgerechnet in der spanischen Botschaft vorzufinden.
Er nannte einem Türposten seinen Namen und wurde zur Empfangsdame vorgelassen, die sofort eine Telefonnummer wählte und auf Spanisch mit jemandem Rücksprache hielt. Dann lächelte sie. »Mr. Aguirrez ist beim Botschafter«, sagte sie mit einem entzückenden Akzent, der Erinnerungen an Kastilien weckte. »Er kommt gleich, um Sie abzuholen.«
Einige Minuten darauf kam Aguirrez aus einem der Flure geschlendert. Statt des blauen Trainingsanzugs und des schwarzen Baretts trug er nun einen dunkelgrauen Zweireiher, der Austin einen Wochenlohn gekostet hätte, doch sogar der begabteste Schneider konnte nichts an den Bauernhänden und der kräftigen Statur ändern. Der Baske sprach mit einem weißhaarigen Mann, der mit auf dem Rücken verschränkten Fingern neben ihm ging und mit gesenktem Kopf aufmerksam lauschte. Aguirrez sah Kurt und winkte ihm zu. Die beiden Männer beendeten ihre Unterredung, reichten sich die Hände und verabschiedeten sich lächelnd voneinander. Dann kam Aguirrez zu Austin herüber und legte ihm einen Arm um die Schultern.
»Mr. Austin«, sagte er fröhlich. »Wie schön, Sie wiederzusehen. Es tut mir Leid, dass ich Sie nicht dem Botschafter vorstellen konnte, aber er musste dringend zu einer Besprechung. Bitte kommen Sie mit.«
Er führte Kurt einen Korridor hinunter und weiter durch eine Tür in ein Zimmer, das in einem der alten Häuser, auf denen der Botschaftskomplex errichtet war, einst als Salon gedient hatte. Am auffälligsten war der überdimensionale Marmorkamin, und die behagliche Einrichtung bestand aus dicken Teppichen und schweren dunklen Holzmöbeln.
Die Wände waren mit Ölgemälden geschmückt, die Szenen aus dem spanischen Landleben zeigten.
Als sie sich setzten, registrierte Aguirrez offenbar Kurts erstaunte Miene. »Sie sehen verwirrt aus, Mr. Austin«, stellte er fest.
Kurt sah keinen Grund, lange um die Sache herumzureden. »Es überrascht mich, Sie hier in den Mauern der spanischen Botschaft anzutreffen. Immerhin wirft man Ihnen vor, ein baskischer Terrorist zu sein.«
Aguirrez schien sich nicht gekränkt zu fühlen. »Sie haben mich überprüft, das hatte ich erwartet. Also müssten Sie auch wissen, dass dieser Verdacht nicht erhärtet werden konnte.«
»Wie dem auch sei, mir ist aufgefallen, dass Sie Ihr schwarzes Barett nicht tragen.«
Aguirrez lachte dröhnend auf. »Ich habe aus Achtung vor meinen Gastgebern darauf verzichtet, obwohl ich es wirklich vermisse. Ich fürchte, manche Leute in diesem Haus könnten glauben, dass ich unter dem Barett eine Bombe einschmuggle, und diese Nervosität würde sich störend auf unsere Arbeit auswirken.«
»Die welches Ziel hat?«
»Das Baskenproblem friedlich und dauerhaft zu lösen.«
»Ist das bei einem jahrhundertealten Konflikt nicht etwas zu viel verlangt?«
»Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen können.«
»Was ist aus der Suche nach Ihrem Vorfahren geworden?«
»Bei dieser Angelegenheit sind Vergangenheit und Gegenwart untrennbar miteinander verknüpft. Die baskischen Separatisten wollen eine Heimat. Die spanische Regierung hatte sich auf eine Teilautonomie eingelassen, leider mit verhängnisvollen Folgen. Falls ich finde, wonach ich suche, könnte dadurch eine Welle des baskischen Nationalismus ausgelöst werden. Ich kenne mein Volk. Spanien würde zerrissen werden.«
»Demnach sind Sie für die spanische Regierung plötzlich sehr wichtig geworden.«
Er nickte. »Ich habe mich mit hohen Beamten in Madrid getroffen. Nachdem ich ihnen glaubhaft versichern konnte, dass ich kein Terrorist bin, haben sie mich gebeten, das amerikanische Außenministerium über den Stand der Dinge zu unterrichten. Ferner habe ich mich bereit erklärt, die besagten Reliquien in sichere Verwahrung zu nehmen, sobald ich sie gefunden habe.«
»Und was sollte Sie davon abhalten, die Vereinbarung zu brechen?«
Der Baske runzelte die Stirn, und seine dunklen Augen funkelten bedrohlich. »Das ist eine logische Frage. Die
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