Tödliche Beute
Lächeln. »Was genau wollen Sie von mir, Therri?«
Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich möchte, dass Sie einen Tauchgang zur
Sea Sentinel
unternehmen.«
»Wozu soll das gut sein?«
»Es könnte beweisen, dass Marcus unschuldig ist.«
»Wie?«
Sie hob beide Hände. »Keine Ahnung. Aber vielleicht finden Sie
irgendetwas
. Ich weiß nur, dass Marcus die Wahrheit sagt. Um ehrlich zu sein, ein Großteil seines vermeintlichen Radikalismus ist bloß heiße Luft. In Wahrheit ist er ein nüchterner Pragmatiker, der sorgfältig alle Risiken abwägt, und nicht etwa ein hirnloser Draufgänger, der vor lauter Wut einen Kreuzer rammt.
Außerdem hat er sein Schiff
geliebt
. Er hat sogar höchstpersönlich diesen psychedelischen Anstrich ausgesucht. Niemand an Bord hatte vor, dass jemand zu Schaden kommt.«
Austin lehnte sich zurück, verschränkte die Hände im Nacken und sah Therri ins Gesicht. Es gefiel ihm, dass ihr perfekt geformter Mund wie die Mona Lisa zu lächeln schien, auch wenn sie etwas ernst meinte. Und ihre bemerkenswerten Augen verrieten, dass hinter dem mädchenhaften Aussehen eine sinnliche Frau steckte. Es gab tausend Gründe, weshalb er sich bei Therri lieber für den Kaffee bedanken, ihr die Hand schütteln und zum Abschied viel Glück wünschen sollte. Und es gab allenfalls drei gute Gründe, weshalb er in Erwägung ziehen könnte, ihrer Bitte nachzukommen. Therri war wunderschön. Sie hatte eventuell Recht. Und, Wahrheit hin oder her, sie setzte sich leidenschaftlich für ihre Überzeugung ein. Sein Flug war für den übernächsten Tag gebucht. Es stand nirgendwo geschrieben, dass er sich während des kurzen Aufenthalts auf den Inseln langweilen musste.
Kurt beugte sich neugierig vor und bestellte zwei weitere Tassen Kaffee. »Also gut«, sagte er. »Schildern Sie mir genau, was passiert ist.«
8
Einige Stunden später befand Austin sich Welten von der Wärme des Cafes entfernt, denn er steckte erneut in dem metallenen Schutzanzug und tauchte in die kalten Gewässer der Färöer hinab. Während er in die Tiefe sank, musste er unwillkürlich lächeln. Er stellte sich vor, wie Becker wohl reagieren würde, falls er wüsste, dass ein dänisches Schiff dabei half, Marcus Ryan und die SOS womöglich zu entlasten. Das geschah dem hinterlistigen kleinen Bürokraten ganz recht, dachte Austin. Sein Kichern hallte im Helm wider.
Nachdem er sich von Therri Weld verabschiedet hatte, war er ins Hotel zurückgekehrt. Dort hatte er Kapitän Larsen angerufen und um die Erlaubnis gebeten, von der
Thor
aus einen weiteren Tauchgang unternehmen zu dürfen. Er sagte, er wolle für einen Bericht Aufnahmen der Unglücksstelle anfertigen, was zum Teil der Wahrheit entsprach. Larsen war sofort einverstanden und schickte sogar ein Beiboot, um Austin zum Schiff überzusetzen. Da Becker ausdrücklich darum gebeten hatte, den Anzug noch an Bord zu behalten, stand dem Einsatz nichts mehr im Wege.
Sein Tiefenmesser verriet Austin, dass er sich dem Grund näherte. Mit kurzen Impulsen der vertikalen Schubdüsen verringerte er die Sinkgeschwindigkeit und schwebte nun etwa fünfzehn Meter über der Bugsektion des Kreuzers. Die See hatte keine Zeit verloren, sich das Schiff anzueignen. Rumpf und Aufbauten waren schon jetzt mit einer struppigen Algenschicht überzogen, und durch die Bullaugen schwammen Fischschwärme und suchten nach Nahrung, die bis in den letzten Winkel des Wracks vorgedrungen war.
Austin schoss mit einer Digitalkamera Fotos des Lochs, das die
Sea Lamprey
im Zuge der Rettungsaktion in den Stahl geschnitten hatte, und der dreieckigen Wunde, die durch den Bug der
Sea Sentinel
aufgerissen worden war.
Zuvor hatte Kurt sich bei Kapitän Larsen nach der letzten bekannten Position des SOS-Schiffs erkundigt. Nun schlug er nach einer kurzen Peilung die entsprechende Richtung ein.
Er benutzte ein Standardsuchmuster und fuhr mehrere parallele Bahnen ab, bis der grellbunte Schiffsrumpf im Licht seiner Scheinwerfer erschien. Genau wie bei dem Kreuzer machten sich auch hier bereits Meerespflanzen breit, und die Mischung aus Seegras und den unzähligen Farben war verblüffend. Die
Sea Sentinel
lag nahezu senkrecht auf Grund. Abgesehen von ihrer eingedrückten Nase schien sie in sehr guter Verfassung zu sein.
Austin betrachtete den zerschmetterten Bug und rief sich Ryans Aussage ins Gedächtnis. Angeblich hatten die Maschinen verrückt gespielt, und das Ruder hatte nicht mehr gehorcht. Um die Maschinen zu
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