Tödliche Beute
Widerspruch rechnen. »Keines der Besatzungsmitglieder hätte das Schiff sabotiert.«
»Das habe ich auch nicht behauptet.«
»Verzeihung«, sagte sie. »Ich schätze, ich sollte lieber nicht so ohne weiteres ausschließen, dass jemand aus der Crew daran beteiligt gewesen sein könnte.«
»Nicht unbedingt. Wie heißt es doch immer bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen? Hat jemand anders Ihren Koffer gepackt, oder haben Sie ihn eine Weile aus dem Blick verloren?«
»Demnach glauben Sie, dass ein
Außenstehender
für die Sabotage verantwortlich sein könnte.«
Austin nickte. »Von den Winden führt ein Stromkabel durch die Schiffswand, um dort die Energieversorgung anzuzapfen. Für diesen Umbau muss jemand ins Innere gelangt sein.«
»Jetzt, da Sie es erwähnen …«, sagte sie ohne zu zögern.
»Es gab kürzlich ein paar Reparaturarbeiten. Das Schiff war auf den Shetland-Inseln vier Tage im Trockendock.«
»Wer hat die Arbeiten durchgeführt?«
»Marcus weiß das bestimmt. Ich werde ihn fragen.«
»Es könnte wichtig sein.« Er deutete auf den Monitor.
»Das hier ist womöglich Ryans Entlassungsschein aus dem Gefängnis. Ich schlage vor, Sie setzen sich mit einem Kerl namens Becker in Verbindung. Er wohnt in meinem Hotel und scheint einen direkten Draht zum dänischen Marineministerium zu haben. Unter Umständen kann er behilflich sein.«
»Das verstehe ich nicht. Warum sollten die Dänen Marcus helfen wollen, nachdem sie ihm so schreckliche Vorwürfe gemacht haben?«
»Das war nur für die Öffentlichkeit. In Wahrheit wollen sie bloß, dass Ryan von hier verschwindet und sich nie wieder auf den Färöern blicken lässt. Seine Protestreden könnten nämlich dafür sorgen, dass potenzielle Investoren verschreckt werden. Tut mir Leid, falls das nur schlecht zu Ryans Märtyrerrolle passt.«
»Ich will gar nicht leugnen, dass Marcus auf eine Cause célèbre gehofft hat.«
»Ist das nicht ein wenig riskant? Falls er die Dänen zu weit treibt, könnte man sich gezwungen sehen, ihn zu verurteilen und ins Gefängnis zu werfen. Ich hätte ihn nicht für so leichtsinnig gehalten.«
»Marcus ist durchaus nicht leichtsinnig, aber sofern er sich berechtigte Hoffnungen machen kann, geht er kalkulierte Risiken ein. In diesem Fall hätte er die Gefahr einer Haftstrafe gegen die Chance abgewogen, die
grindaraps
zu stoppen.«
Austin zog die Speicherkarte aus dem Computer und gab sie Therri. »Sagen Sie Becker, dass ich meine Beobachtungen zu Protokoll geben und bestätigen werde, dass die Aufnahmen von mir stammen. Außerdem lasse ich den Hersteller dieser Antenne überprüfen, obwohl es sein kann, dass man sie aus Standardteilen zusammengesetzt hat und wir nichts Näheres erfahren.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, sagte Therri und stand auf.
»Mein übliches Honorar besteht aus der Annahme einer Einladung zum Abendessen.«
»Sehr gern sogar …« Sie hielt abrupt inne und schaute an Austin vorbei durch den Raum. »Kurt, kennen Sie diesen Mann? Er beobachtet Sie schon seit einer Weile.«
Austin drehte sich um und sah einen Mittsechziger mit hoher Stirn und langem Gesicht auf den Tisch zukommen.
»Kurt Austin von der NUMA, wenn ich mich nicht irre«, rief der Mann mit dröhnender Stimme.
Austin stand auf und streckte die Hand aus. »Professor Jorgensen, wie schön, Sie zu sehen. Unser letztes Treffen liegt drei Jahre zurück.«
»Vier, um genau zu sein. Seit unserem Projekt in Yukatan. Was für eine prächtige Überraschung! Ich habe von der wundersamen Rettung gehört, die Ihnen geglückt ist, aber ich dachte, Sie seien bereits abgereist.«
Der Professor war groß und schmalschultrig. Die langen Haarbüschel, die seine sommersprossige Glatze umrahmten, ähnelten Schwanenflügeln. Er sprach englisch mit Oxforder Akzent, was nicht überraschend war, denn er hatte an der berühmten britischen Universität studiert.
»Ich bin geblieben, um Miss Weld hier bei einem Projekt zur Hand zu gehen.« Austin wandte sich an Therri.
»Das ist Professor Peter Jorgensen, einer der bedeutendsten Meeresphysiologen der Welt.«
»Kurt übertreibt. Ich bin einfach ein Fischdoktor, wenn man so will. Und was hat Sie an diesen entlegenen Außenposten der Zivilisation verschlagen, Miss Weld?«
»Ich bin Anwältin und beschäftige mich mit dem dänischen Rechtssystem.«
»Was ist mit Ihnen, Professor?«, fragte Austin. »Sind Sie beruflich auf den Färöern?«
»Ja, ich habe ein paar eigentümliche
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