Tödliche Beute
Inuit?«
»Vermutlich. Wir können es nicht beweisen, aber einige Indizien deuten in diese Richtung. Die Nachforschungen waren unglaublich schwierig. Es heißt, er sei kanadischer Staatsbürger und sehr geübt darin, sein Gesicht zu verbergen. Mehr kann ich Ihnen leider nicht über ihn erzählen, und diesmal ist das die
ganze
Wahrheit.«
Austin nickte und musste an die dunkelhäutigen Wachposten denken, die auf ihn geschossen hatten.
»Zurück zu Oceanus. Wodurch ist dieser Konzern den SOS überhaupt aufgefallen?«
»Er gehörte zu den wenigen Firmen, die unseren Boykottaufruf gegen die Färöer ignoriert haben. Die Umweltproblematik von Fischzuchten war uns zwar schon vorher bewusst, aber Marcus’ Interesse wurde durch die Heimlichtuerei des Konzerns geweckt. Als er von der Fischzucht auf den Inseln erfuhr, wollte er die Gelegenheit nutzen, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf Oceanus zu lenken und etwas Bewegung in die Sache zu bringen.«
»Es ist ihm gelungen. Als Beweis liegen nun zwei Schiffe auf dem Meeresgrund.«
»Lassen Sie mich
Ihnen
eine Frage stellen«, sagte Therri und sah ihn prüfend an. »Was wissen
Sie
über Oceanus, das Sie
mir
noch nicht erzählt haben?«
»Einverstanden. Während Sie mit Mr. Becker verhandelt haben, bin ich zu einer der Fischzuchten aufgebrochen.«
»Haben Sie etwas herausgefunden?«
Austin verspürte einen stechenden Schmerz an seiner Brustverletzung. »Ich weiß nun, dass diese Leute es nicht mögen, wenn jemand seine Nase in ihre Geschäfte steckt.
Ich würde Ihnen und Ihren Freunden raten, einen großen Bogen um die Firma zu machen.«
»Wer weicht hier jetzt wem aus?«
Austin lächelte nur. Er wollte Therri zwar gern vertrauen, konnte jedoch nicht einschätzen, wie loyal sie zu den SOS und deren Leiter stand. »Ich habe Ihnen genug verraten, um Sie vor Schwierigkeiten zu bewahren.«
»Sie sollten wissen, dass eine solch dürftige Information meine Neugier nur noch zusätzlich anstachelt.«
»Vergessen Sie nicht, dass übertriebener Wissensdurst schon so manches Leben gekostet hat. Ich möchte nicht, dass Sie ein tragisches Schicksal erleiden.«
»Danke für die Warnung.« Sie schenkte ihm ein verführerisches Lächeln.
»Keine Ursache. Vielleicht können wir dieses Gespräch fortsetzen, wenn wir wieder in Washington sind.«
»Mir fallen jede Menge Hotellobbys ein, die sich gut für ein zufälliges Rendezvous eignen würden. Wir können ja vereinbaren, nicht über geschäftliche Dinge zu reden.«
»Lassen Sie uns gleich damit anfangen.« Austin winkte dem Kellner und bestellte zwei Gläser Kirschlikör.
»Worüber möchten Sie sich denn gern unterhalten?«, fragte Therri.
»Erzählen Sie mir von den SOS.«
»Das könnte man durchaus als etwas Geschäftliches auffassen.«
»Okay, dann stelle ich Ihnen eben eine persönliche Frage. Wie kommt es, dass Sie für die SOS arbeiten?«
»Das war Schicksal«, antwortete sie lächelnd. »Ich habe mich von jeher für den Naturschutz interessiert. Eigentlich wurde mir diese Bestimmung sogar schon in die Wiege gelegt. Meine Familie hat mich Thoreau getauft – nach dem berühmten Henry David.«
»Ich habe mich schon gewundert, woher das ›Therri‹ stammt.«
»Vermutlich hatte ich Glück, dass man mich nicht
Henry
genannt hat. Mein Vater war Umweltaktivist, bevor es überhaupt diesen Begriff gab. Meine Mutter stammte aus einer alten Yankee-Familie, die mit Sklaven und Rum zu Reichtum gelangt war. Nach meinem Abschluss an der juristischen Fakultät von Harvard wurde von mir erwartet, dass auch ich in irgendeiner Form Wiedergutmachung leiste. Nun bin ich an der Reihe. Wie sind Sie zur NUMA gekommen?«
Austin fasste seinen Werdegang kurz für sie zusammen.
»In Ihrem Lebenslauf gibt es eine merkwürdige Lücke«, stellte sie fest.
»Sie sind viel zu aufmerksam. Ich habe während jener Zeit für die CIA gearbeitet. Nach dem Ende des Kalten Kriegs wurde die Abteilung geschlossen. Mehr kann ich Ihnen nicht darüber verraten.«
»Schon in Ordnung«, sagte sie. »Die Aura des Geheimnisvollen trägt nur zu Ihrer Attraktivität bei.«
Austin kam sich wie ein Außenfeldspieler vor, dem der Ball genau in die Arme flog. Therri hatte dem Gespräch eine etwas intimere Note verliehen, und er wollte soeben in angemessener Form reagieren, als er bemerkte, dass sie über seine Schulter blickte. Er drehte sich um und sah Marcus Ryan auf ihren Tisch zukommen.
»Therri!«, sagte Ryan mit strahlendem Lächeln. »Was für eine
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