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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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Jeansstoff und natürlich viel zu dünn. Es war gerade mal Anfang April und das Wetter wechselhaft. »Richtiges Aprilwetter«, hatte Mama gesagt. Letztes Wochenende hatte die Sonne geschienen, und es war plötzlich warm geworden. Viktoria hatte sich die alte Winterjacke vom Leib gerissen und war nur im Pullover herumgelaufen. Daraufhin durfte sie endlich mit Mama zu H&M gehen.
    Im Geschäft steuerte sie direkt auf die Ständer mit jenen Jacken zu, die so neu waren, dass man noch die scharfen Falten ihrer Verpackung erkennen konnte. Viktoria musste nicht lange suchen. Sie war bereits am Tag zuvor mit Lina dort gewesen und hatte sich umgeschaut sowie Verschiedenes anprobiert. Sie hatten den Bus in die Stadt genommen, das durften sie.
    Deshalb fand Viktoria auch mit einem Griff, was sie haben wollte. Sie nahm eine Jacke vom Ständer und hielt sie auf dem Bügel vor ihren Oberkörper. Sie wagte kaum, ihre Mutter dabei anzusehen. In Viktorias Fantasie gehörte die Jacke bereits ihr. Zwar hatte sie einen Farbton, den Mama wohl eher nicht so toll finden würde. Viel zu verwaschen zu dem hellen Haar und dem blassen Gesicht, würde sie sagen. Aber Viktoria wollte sie haben. Unbedingt! Deshalb hatte sie alle Argumente, mit denen sie Mama überzeugen würde, bereits parat.
    Doch Mama nickte nur. Viktoria war ein wenig enttäuscht, weil es fast zu leicht ging. Mamas Widerstand war so ungewohnt schwach, nur ein müder Blick, ganz anders als sonst. Viktoria wurde unsicher.
    Es lag wohl an der Trennung. Mama konnte nicht mehr. Sie weinte meistens den ganzen Tag lang. Sie war völlig am Ende, wie sie ins Telefon seufzte, wenn sie mit Eva sprach. Andauernd telefonierte sie mit Eva. Viktoria blieb währenddessen lieber in ihrem Zimmer. Meistens verhielt sie sich still und rücksichtsvoll. Aber sie hörte alles, was Mama sagte. Sie konnte sich ja nicht die Ohren zuhalten. Gewiss, das hätte sie schon tun können, aber sie wollte nicht, und genauso wenig wollte sie stattdessen rausgehen. Sie verschloss die Augen nicht vor den Problemen ihrer Mutter und machte sich auch keine besonders großen Hoffnungen, dass sich plötzlich alles ändern würde und – Simsalabim! – wieder so wäre wie zuvor. Sie war nämlich weder ein Baby noch blöd – schließlich wurde sie bald elf – und begriff nur zu gut, dass das nicht so einfach möglich sein würde. Und dennoch konnte sie es nicht lassen, darauf zu hoffen, dass alles wieder so sein würde wie früher, selbst wenn da auch nicht immer alles rosig gewesen war.
    Eine Mutter, die völlig am Ende war, was sollte man da machen?
    Doch dann sagte Mama wieder, dass sie es schon schaffen werde. Ihre Stimme klang dabei allerdings ein wenig gekünstelt. Laut und schrill. Im Moment hörte sie sich wirklich nicht gerade normal an, und Viktoria hatte den Eindruck, dass Mama sich nur einbildete, sich ihr gegenüber so zu verhalten wie immer. Aber Mama würde schon die Kurve kriegen. Weiß Gott! Das sagte sie jedenfalls am Telefon zu Eva. Sie betonte es mehrmals, fast so, als sei sie böse.
    Viktoria hoffte nur, dass es nicht allzu lange dauern würde, die Kurve zu kriegen. Sie wusste nicht, ob es ein paar Tage, Wochen oder – noch schlimmer – Monate dauern würde. Länger wagte sie nicht zu denken. Und fragen konnte man auch keinen danach. Lina würde sie nur unsicher anschauen und ihr irgendetwas Essbares unter die Nase halten, Chips oder eine Tüte mit Süßigkeiten oder etwas anderes, womit sie sich trösten könnte. Und die Mütter anderer Kinder belästigte man damit nicht. Sie würden nur mitleidig gucken und sich ihren Teil denken. Was genau sie sich denken würden, wusste sie auch nicht so recht, nur, dass alles Denken grundfalsch war. Das Allerschlimmste war nämlich, dass Mütter laut dachten. Sie würden alles herumerzählen und sich hinter ihrem Rücken beklagen.
    Im Augenblick, vor dem Eingang zu Kvantum, dachte sie nicht so viel an Mama, die sich nicht so wie sonst benahm, und an all das andere. Hauptsächlich fror sie und vermisste ihre Winterjacke. Aber da es ja ihr eigener Entschluss gewesen war, die neue, dünne Jacke anzuziehen, versuchte sie, nicht mehr an ihre warme, aber ziemlich hässliche und verschlissene Steppjacke zu denken. Zumindest sah sie in der neuen hübsch aus.
    Jedenfalls war klar, dass sie Gunnar keineswegs so vermisste, wie Mama es tat. So viel hatte sie schon begriffen, auch wenn Mama selbst meistens schimpfte, dass er ein ziemlicher Stinkstiefel sei, und andere

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