Toedliche Blumen
Körper wusste.
Vielleicht war es der Blinddarm, hatte Viktoria aufgeschnappt, als ihre Mama Linas Mama etwas zuflüsterte, bevor sie losfuhren.
Wie schrecklich! Denn dann waren sie gezwungen, ihr den Bauch zu öffnen und sie zu operieren. Sie wusste nicht, ob sie damit einverstanden sein sollte. Lieber starb sie.
Doch dann kam auch schon der Doktor. Er war jung und ebenfalls sehr nett. Er scherzte ein wenig mit ihr und lobte sie, dass sie so mutig gewesen sei, als Barbro alle möglichen Blutproben genommen und sie selbst dabei keinen Mucks gesagt hatte. Im Nachhinein fand sie, dass es gar nicht so schlimm gewesen war. Eigentlich hatte sie sich völlig umsonst geängstigt.
Der Doktor hieß Daniel. Er war unheimlich süß. Wenn sie Lina von ihm erzählte, würde sie vor Neid erblassen, dass sie selbst keine Bauchschmerzen gehabt hatte und deshalb nicht in die Notaufnahme zu diesem netten Doktor gekommen war.
Er fragte, ob Viktoria normal gegessen hätte, ob ihr übel gewesen sei, sie erbrochen oder Durchfall gehabt hätte und ob es beim Pinkeln gebrannt hätte. Das hatte es heute Morgen tatsächlich ein bisschen. Er meinte, dass es sich dabei um eine Harnwegsinfektion handeln könne, deshalb müsse sie eine Urinprobe abgeben. Ihr war außerdem aufgefallen, dass ihr Po ein wenig empfindlich war, aber das hatte sie ihm natürlich nicht gesagt. Es würde schon von selbst wieder weggehen.
Doch ihr war weder übel gewesen, noch hatte sie erbrochen oder Durchfall gehabt. Einfach nur Schmerzen.
Tja, was hatte sie gegessen? Sie schaute ihre Mutter an.
»Du hast doch wohl vernünftig gegessen, als du nach Hause gekommen bist, oder?«, fragte Mama.
Sie nickte.
»Und heute Morgen?«
»Ein Stück Toastbrot«, piepste Viktoria, was völlig der Wahrheit entsprach. Sie hatte am Ende fast eine ganze Scheibe geröstetes Weißbrot bei Lina geknabbert.
Der Doktor hatte warme Hände. Sie musste ihren Pulli etwas hochziehen, damit er vorsichtig ihren Bauch abtasten konnte.
»Er fühlt sich relativ weich an. Das ist schon mal gut. Aber was ist denn das hier?«
Sie hob den Kopf an und schaute über den Pulli, der zusammengeschoben über ihrer Brust lag, in Richtung Magen, wo sie einen lilafarbenen Fleck entdeckte. Als der sympathische Doktor Daniel vorsichtig mit den Fingerspitzen den verfärbten Bereich abtastete, tat es genau an dieser Stelle weh.
»Das muss vom Fahrradunfall kommen«, meinte Mama.
»Hattest du denn einen Fahrradunfall?«, wollte der Doktor daraufhin wissen und betrachtete sie mit seinen freundlichen Augen.
Sie nickte.
»Und wann war das?«
»Gestern.«
»Es muss passiert sein, als du den Lenker in den Bauch bekommen hast«, ergänzte Mama erklärend.
Viktoria nickte erneut.
»Hast du dir sehr wehgetan?«, fragte der Doktor, der auf der Kante ihrer Trage saß.
»Nein, es war nicht so schlimm.«
Doktor Daniel war noch zehnmal süßer als Micke, der große Bruder von Madde aus ihrer Klasse. Wo doch Micke schon als der Süßeste auf der ganzen Welt galt.
Der Doktor erklärte schließlich, dass Viktoria jetzt auf die Ergebnisse ihrer Blutproben warten müsse und eventuell noch ein anderer Arzt sie untersuchen würde. Es könne also noch eine Weile dauern.
»Möchtest du ein paar Hefte zum Lesen haben?«, fragte er.
Das wollte sie. Mama konnte in der Zwischenzeit in die Cafeteria gehen und etwas trinken. Denn sie hatte ja keine Bauchschmerzen.
Veronika rief ungefähr um zwölf Uhr mittags zu Hause an. Die Sonne hatte sich kurzfristig zwischen den Wolken gezeigt, und Veronika sehnte sich danach, an die frische Luft zu kommen, doch es war noch einiges zu tun, bevor sie nach Hause fahren konnte.
Claes klang fröhlich. Sie empfand es als erleichternd, mit jemandem sprechen zu können, der gute Laune hatte. Klaras Zustand hatte sich verbessert, sie hatte sogar ihren Morgenbrei ganz alleine gelöffelt, wie er aufgekratzt berichtete. Natürlich hatte sie nicht mit ihrem gewohnten Appetit gegessen, aber immerhin aß sie, und das war ein klares Anzeichen für eine Besserung. Deshalb wollte Claes später das Auto nehmen und zu Egons zum Einkaufen fahren. Wenn er Klara ordentlich anziehen und sich damit begnügen würde, nur das Nötigste zu besorgen, würde seine Tochter es schon durchstehen. Veronika sah kaum eine Möglichkeit zu protestieren, vor allem weil sie ihn in dieser Situation sowieso nicht unterstützen konnte. Außerdem trug im Moment er die Verantwortung, erinnerte sie sich. Sie konnte ihn
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