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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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gezwungen, die Tür zum Wohnzimmer zu schließen und den Stuhl zu verschieben, um an den Karton heranzureichen. Er war mit der Aufschrift »Alte Briefe« versehen.
    Als sie ihn in der Hand hielt, stellte sie fest, dass er vor nicht allzu langer Zeit hervorgeholt worden sein musste. Die Staubschicht auf dem Deckel war merklich dünner, und sie konnte an der einen Ecke deutlich Fingerabdrücke erkennen.
    Sie blieb auf dem Stuhl stehen und balancierte die relativ große Pappschachtel mit der einen Hand, während sie mit der anderen den Deckel aufschob.
    »Ach du meine Güte!«, rief sie überrascht aus.
    Sowohl Lundin als auch Benny eilten herbei, und sie musste schnell vom Stuhl springen, um nicht von der auffliegenden Tür umgestoßen zu werden.
    Also stand sie mitten in dem etwas antiquierten, durchaus liebevoll eingerichteten, aber völlig überladenen Schlafzimmer mit der Schachtel fest unter den Arm geklemmt, während Janne Lundin und Benny Grahn sie stumm von der Türöffnung aus anstarrten. Sie kamen näher, richteten ihre Blicke in die Pappschachtel und trauten ihren Augen nicht.
    Lundins Mund entwich ein leises Pfeifen.
    »Dafür könnte man allerdings schon eher morden«, lautete sein Kommentar.
    »Im Gegensatz zu einer überschrittenen Waschzeit«, ergänzte Benny.
    »Aber wo hat sie das alles nur her?«, flüsterte Louise fast. »Das sind ja Mengen!«
    Die braune Box aus gepresster Pappe war bis zum Rand mit Geldscheinen von unterschiedlichem Wert gefüllt. Sogar mit Tausendern.
     
    Viktoria war noch nie in einem Krankenhaus gewesen, und es entsprach auch nicht ihrem Wunsch, dorthin zu fahren. Sie wäre nie auf eine so dumme und gewagte Idee gekommen. Doch Linas Mama hatte es für notwendig gehalten. Und Linas Papa natürlich auch. Vielleicht sogar auch Lina selbst, jedenfalls winkte sie fröhlich, als Viktoria auf dem Rücksitz in Gunnars Auto in Richtung Krankenhaus davonfuhr. Sicherlich war sie froh, nicht selbst in Viktorias Haut zu stecken. Da war es schon bedeutend angenehmer, in der Schule davon erzählen zu können, wie krank ihre beste Freundin war und dass sie sogar in die Notaufnahme gefahren werden musste. Zwar nicht in einem Krankenwagen, aber immerhin.
    Es hatte damit angefangen, dass Linas Mama nachfragte, wo denn Viktoria geblieben sei. Lina berichtete wahrheitsgemäß, dass sie schlief, und ihre Mutter fand sie dementsprechend auch zusammengekauert und tief schlafend in Linas Bett im oberen Stockwerk. Allerdings hielt sie diesen Anblick keineswegs für normal. Jedenfalls konnte sie sich nicht erinnern, Viktoria jemals in einer solchen Verfassung erlebt zu haben. Bisher war sie eigentlich immer recht munter gewesen.
    Am Telefon meinte Linas Mama zu Viktorias Mama, dass irgendetwas mit ihrer Tochter nicht stimme, und riet ihr, sie möglichst umgehend abzuholen. Armes kleines Mädchen! Sie klang so mitfühlend, dass Viktoria, die inzwischen geweckt worden war, am liebsten auf der Stelle losgeheult hätte.
    Und dann kam Mama. Gunnar war bei ihr, denn er sollte sie in die Notaufnahme bringen. Danach würde er allerdings zurück in seine eigene kleine Wohnung fahren. Und dennoch schien es nicht so, als hätten Mama und er sich tatsächlich getrennt. Jedenfalls nicht richtig. Auch wenn Gunnar schon all seine Sachen in die neue Wohnung, von der er andauernd redete, gebracht hatte. Eine eigene kleine Bude, in der er sein eigener Herr sein würde. Viktoria dachte, dass er, wenn es nach ihr ging, am liebsten für immer sein eigener Herr sein könnte.
    Und jetzt lag sie in der Notaufnahme auf einer harten Trage und versuchte, mit ihrem Blick den grellen Neonröhren auszuweichen. Sie hatte Angst. Eine nette Krankenschwester, die Barbro hieß, war gekommen und hatte ihr einen Klecks weiße Betäubungssalbe in die Armbeuge gerieben und darauf ein Pflaster geklebt, damit sie besser wirken konnte. In ein paar Augenblicken würde Barbro ihr mit einer Nadel in die Haut pieksen und ihr aus einer Vene Blut abnehmen. Das klang natürlich ziemlich Furcht einflößend oder, besser gesagt, so schrecklich, dass sie versuchte, Mama zu überreden, lieber wieder nach Hause zu fahren. Doch Mama ließ sich nicht beirren. Wer A sagt, muss auch B sagen, meinte sie, und da sie nun extra gewartet und damit sowieso schon den halben Samstag verdorben hatten, konnten sie es ebenso gut gleich hinter sich bringen. Was genau sie hinter sich bringen würden, wusste Mama hingegen nicht, auch wenn sie einiges über den menschlichen

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