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Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman

Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman

Titel: Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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den Rücken laufen. Ich empfehle Dir deshalb, sie in Etappen zu lesen, zwischendurch aber immer mal wieder etwas Erbauliches aus den heiligen Schriften oder den Werken der Kirchenväter. So wirst Du Dich stärken, und die Schrecknisse und Ungeheuerlichkeiten, die ich Dir mitteilen muss, werden Dich nicht so erschüttern. Denn trotz allem wollen wir ja nicht daran zweifeln, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde schuf.
    Es war an einem Apriltag, so um die neunte Stunde, nachmittags also. Ich hatte gerade, nach meiner Gewohnheit aus der Klosterzeit, mein Stundengebet verrichtet und war darüber ein wenig eingenickt, als ich plötzlich einen Schlag auf die Schulter verspürte. Mein Kopf – er hatte wohl auf dem Schreibpult gelegen – fuhr hoch, und meine Augen erblickten Odos gewaltige Nase und seine braunen Augen, die wie Kastanien im Feuer glühten.
    „Aufgewacht, Vater, jetzt wird es ernst! Es gibt Arbeit. Der Alte verlangt nach uns. Komm mit!“
    „Was sagst du? Wer? Der Herr Karl? Der Kaiser persönlich?“
    „Wer sonst sollte Odo von Reims so in Trab bringen?“
    „Und er will, dass auch ich …?“
    „Nun mach schon! Wir haben Audienz!“
    „Kann ich denn so, wie ich bin …?“
    „Du meinst, ohne deinen Heiligenschein? Wir sagen, der wird gerade vergoldet. Auf! Vorwärts!“
    Kurz darauf wurden wir beide in den kaiserlichen Empfangssaal geführt.
    Der Herr Karl saß in seinem Armstuhl, und als er uns bemerkte, winkte er uns gleich ungeduldig heran. Bei ihm war der kleine Herr Einhard, ein Gelehrter, der zum engeren Kreis seiner Berater gehört. Der stand neben dem Armstuhl so nahe am Ohr des Kaisers, dass er sich nicht einmal vorbeugen musste, um etwas hineinzuflüstern. Außerdem waren da noch zwei Fremde, die ich schon mehrmals hier in Aachen gesehen hatte. Obwohl es bereits sommerlich warm war, trugen sie auch jetzt ihre Schafspelze. Ihre spitzen Filzkappen hatten sie ehrfürchtig abgenommen und kneteten sie in den Händen. Man erkannte sie daran als Leute von jenen Stämmen, die im Norden und Osten jenseits der Elbe leben und die wir als Wenden bezeichnen. Mir schwante nichts Gutes, als ich sie hier sah.
    Wir traten vor, verbeugten uns vor dem Herrn Karl und wurden gnädig von ihm angeredet. Ich war ihm lange nicht so nahe gewesen und fand ihn noch eindrucksvoller als früher. Der massige Körper, der Stiernacken, der runde Kopf mit den grauen Haaren, der buschige Schnurrbart – alles wirkte majestätisch. Er ist ja ein Riese, und obwohl ich stand und er saß, sah er auf mich herab. Sein Blick ist so scharf und zwingend, dass man wahrhaftig Mühe hat, ihn auszuhalten. In meiner Aufregung und Verwirrung hörte ich zwar seine Worte, erfasste aber zunächst ihren Sinn nicht, und erst als ich mal kurz einen hilfeheischenden Seitenblick wagte und Odo zufrieden grinsen sah, begriff ich, dass wir gelobt wurden. Tatsächlich, der Kaiser rühmte unsere Verdienste! Er sprach von unserem Scharfsinn und unserem Mut, die sich gegen Bischofsmörder, Reliquienfälscher, Erbschleicher und Witwenschänder bewährt hätten. Freilich hatte er sich das alles nicht selber gemerkt, sondern es war Herr Einhard, der unentwegt die Lippen bewegte und ihm vorsagte. Der Herr Karl sagte dann, wir hätten uns so vortrefflich bewährt, dass wir verdienten, dafür geehrt zu werden. Männer wie wir – und dabei ballte er die Faust und klopfte nachdrücklich auf die Armlehne – würden von ihm ihrem Wert entsprechend behandelt und seien für höhere Aufgaben bestimmt. Odos Grinsen wurde noch breiter. Der ganze Odo wurde breiter, seine Brust wölbte sich, sein Schnurrbart sträubte sich, seine Schultern dehnten sich so sehr, dass er mich, der ich neben ihm stand, beinahe aus der Senkrechten stieß. Ich gestehe, auch ich war voller Erwartung. Nach diesem kaiserlichen panegyricus musste uns etwas Wunderbares geschehen. Gleich würde es kommen.
    Und dann kam es.
    Wir hatten, im Lichte des höchsten Wohlwollens stehend, die beiden Wenden gar nicht mehr wahrgenommen. Bescheiden hielten sie sich etwas abseits.
    Jetzt deutete der Herr Karl mit dem Finger auf sie und fuhr fort: „Diese Männer benötigen eure Hilfe. Das heißt, nicht nur sie, sondern ihre Leute zu Hause, die Wenden oder … eh … (Herr Einhard flüsterte eifrig) … Obodriten, Polaben, Waräger … nun, diese Stämme zwischen der Elbe und dem östlichen Meer. Ihr König Ratibor hat sie hergeschickt, und sie haben mir gerade vorgetragen, was sie bedrückt. Es scheint,

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