Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
dass bald die Mehrzahl der Hütten in hellen Flammen stand.
Als ich endlich das Haus meines Vaters erreichte, war der Sturm bis in den Garten unserer Nachbarn gelangt, wo mehrere Fußknechte sich eben mühten, Gunde und ihre Kinder ins Freie zu zerren. Vielleicht hätte ich der armen Frau beistehen sollen, doch mein erster Gedanke galt meinem Vater, und so stürzte ich zur Haustür, in der Erwartung, ihn auf seinem Lager vorzufinden. Als ich jedoch die Tür aufriss, prallte ich erschrocken zurück: Da stand er vor mir, krank und schwach auf den Beinen, doch mit einem Ausdruck grimmiger Entschlossenheit auf dem Gesicht.
„Geh ins Haus!“, herrschte er mich an, mit einer Festigkeit in der Stimme, wie ich sie seit Jahren nicht mehr bei ihm wahrgenommen hatte. Verängstigt schlüpfte ich an ihm vorbei, um hinter dem Türrahmen in Deckung zu gehen, während er ins Freie trat und die Sense ergriff, die noch immer am Zaun lehnte.
Unterdessen hatte im Garten unseres Nachbarn ein grauenvolles Schauspiel seinen Lauf genommen. Vier von Gundes Kindern lagen erschlagen am Boden. Das jüngste, das noch kaum aufrecht gehen konnte und mit tränenüberströmtem Gesicht zum Haus zurückwankte, wurde soeben von einem der Fußknechte niedergetreten. Gunde, die verzweifelt schrie, war zu Boden geschleudert worden und wurde von mehreren Männern niedergehalten. Ihr Leinenkleid war bis zum Nabel hinauf zerrissen. Der Apfelkorb lag neben ihr am Boden; die Früchte waren in alle Richtungen davongerollt.
Der Ritter, von dessen Hand Thiedericus gefallen war, hatte offensichtlich von meiner Verfolgung abgelassen, als er des Weibes ansichtig wurde. Er war vom Pferd gestiegen, hatte den Garten betreten und raffte eben sein Kettenhemd empor, um die Bruche, die lange, wollene Unterhose, herabzuzerren und sich zwischen Gundes Schenkel zu drängen. Die Männer johlten und hielten die gepeinigte Frau am Boden, während ein Hauptmann mit einem Eisenhut das Dach der Hütte in Brand steckte, um dann seelenruhig einen Apfel aufzuheben und hineinzubeißen.
Mit wild klopfendem Herzen beobachtete ich, wie mein Vater geradewegs auf die Männer zuhielt, mit einiger Mühe den niedrigen Zaun überstieg und die Sense erhob. Erst jetzt wurde mir klar, was er vorhatte, und ich hätte ihm zurufen mögen, von diesem irrsinnigen Unterfangen abzulassen. Doch sein verzweifelter Mut erfüllte auch mein Herz mit plötzlicher Härte, und so verharrte ich auf meinem Posten hinter der Tür, gab keinen Laut von mir und sandte ein stummes Stoßgebet zum Himmel.
Da die Männer mit der am Boden liegenden Frau beschäftigt waren, bemerkte niemand meinen Vater, bis er auf wenige Schritte herangekommen war. Der Hauptmann mit dem Eisenhut war der Erste, der aufblickte. Erschrocken ließ er den Apfel fallen. Seine Hand fuhr zum Schwertgriff, doch da pfiff bereits die Sense durch die Luft. Im Moment des Aufpralls schloss ich die Augen, und als ich sie wieder öffnete, sah ich den Hauptmann rückwärts taumeln, den ledernen Brustharnisch zerschnitten und klaffend.
Nun bemerkten auch die übrigen Männer den tollkühnen Angreifer und sprangen auf. Mein Vater jedoch, dem ein verzweifelter Zorn übermenschliche Kräfte zu verleihen schien, warf sich ihnen schreiend entgegen, und bevor sie nach ihren Waffen greifen konnten, fuhr das Sensenblatt in einem mächtigen Halbkreis umher und ließ sie zurückweichen. Der Ritter reagierte als Letzter und mühte sich erschrocken, auf die Füße zu kommen, doch behinderte ihn die herabgezogene Hose, so dass er stolperte und auf Hände und Knie niederfiel. Erneut kreiste die Sense, und diesmal streifte sie das nackte Gesäß des Mannes und hinterließ eine blutende Wunde auf der linken Hälfte. Der Ritter brüllte vor Wut und Schmerz, rollte sich herum, kam endlich auf die Beine, wich einem weiteren Hieb der Sense aus und zog sein Schwert.
Was dann geschah, nahm ich wie durch einen Nebel der Betäubung wahr, dennoch prägte sich mir jedes einzelne Bild unauslöschlich ein. Der Ritter drang auf seinen Gegner ein und schwang das Schwert. Der erste Streich wehrte das eiserne Blatt der Sense ab, der zweite Streich ließ den hölzernen Schaft zersplittern, der dritte traf die Schulter meines Vaters. Der vierte ließ ihn auf die Knie sinken, und der fünfte warf seinen dürren Leib rücklings in den Staub. Im nächsten Moment sprangen die Fußknechte hinzu und hieben mit Äxten und Streitpickeln auf ihn ein. Kein Schrei ertönte mehr; mein Vater
Weitere Kostenlose Bücher