Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
die erste Gestalt, das musste die Alte sein. Sie sank gleich wieder zurück. Die andere – ein Mann, aber welcher? – wollte sich durch die Feuerwand nach vorn ins Wasser stürzen. Doch es gelang nicht, und Rauchgewölk hüllte alles ein. Das Boot war vorüber und wurde stromabwärts getragen.
Irrte ich mich? Oder irrte der, der den Namen gerufen hatte?
Ein wildes Geschnatter erhob sich am Ufer.
„Es war Wido!“, wurde versichert.
„Wido war es, ich hab ihn erkannt!“
„Dein Sohn, Remmert, dein Sohn verbrennt dort!“
„So rettet ihn doch!“, brüllte der Sachsenhäuptling. „Rettet ihn! Warum seid ihr noch nicht in den Booten?“
Unverzüglich waren drei, vier Boote bemannt. Auch das Boot mit den Knechten, die die Brände geworfen hatten, nahm die Verfolgung auf. Remmert brüllte Befehle.
„Geht ins Haus, seht nach! Vielleicht ist er da! Bringt ihn her! Bei allen Göttern, es kann nicht sein! Ich selber war doch mit im Verlies … war sicher, dass es der wendische Hund war. Wer sonst? Wie ist mein Sohn in das Boot gekommen? Ja, ja, ich hab ihn gesehen, er war es … Aber wer hat das getan? Wer hat das getan? Beeilt euch, faules Gesindel! Wollt ihr ihn umkommen lassen?“
Es war aber längst zu spät. Das brennende Boot hatte einen Vorsprung, der nicht aufgeholt werden konnte, bevor die beiden Unglücklichen zu Asche geworden waren. Die Männer ruderten trotzdem aus Leibeskräften. Am Ufer schwärmten andere aus, um Wido zu suchen, obwohl sie sicher waren, ihn nicht finden zu können. Alle hatten ihn ja auf dem Boot gesehen und erkannt.
Wie von Sinnen lief Remmert umher, mit den Fäusten schlug er auf seine Leute ein. Sein Blick fiel auf Zelibor, er packte und schüttelte ihn. Der alte Wilze musste noch einmal in das Verlies hinab, kam aber zurück mit der Meldung, dass dort niemand mehr sei.
„Ihr habt ihn entkommen lassen“, schrie Remmert, „den Schurken, den Hund, euern wendischen Stammesbruder! Habt ihn heimlich hinübergebracht! Oder lauert er hier noch irgendwo in einem Versteck? Wer hat meinen Sohn ins Verlies geworfen, an seiner Stelle? Wer war das? Gestern Abend war er noch hier. Man muss ihn überwältigt und dort hinuntergeschleppt haben! Eine Verschwörung! Wer steckt dahinter? Waratto! Wo ist deine Tochter? Fort ist sie, nicht aufzufinden! Gestern hockte sie ständig bei Wido, ging ihm so um den Bart, dass sich alle wunderten. Was bedeutete das? Was hatte sie vor? Woher diese plötzliche Verliebtheit? Vorher war sie nicht von ihrem wendischen Sklaven zu trennen – bei allen Göttern, mir ist jetzt klar, wie er sie bediente! Die Schlange! Die Hure! Deine Tochter, Waratto! Und du? Du hast es gewusst, es war dir nur recht! Du denkst ja, du bist mir nichts schuldig! Deinen fetten Gewinn hast du eingestrichen, mehr als dir zustand – für die Ware, die meine Leute herangeschafft und für die manche mit ihrem Blut bezahlt haben! Auch der Wein, den es dafür gegeben hat, schmeckt dir – seit Tagen säufst du dich voll! Aber nun sind diese Kerle da aufgetaucht, angeblich Boten deines Kaisers. Der mag die Geschäfte nicht, die wir hier machen, der braucht die Wenden von drüben selber – als Schwertfutter. Wofür? Seinen nächsten Krieg gegen uns, die Sachsen! Dafür waren sie ja früher schon gut. Und da hast du gedacht in deinem treulosen Schädel: Wenn es der Kaiser so haben will, soll er es haben! Dann lasse ich lieber den Sohn eines sächsischen als den eines wendischen Fürsten umbringen! Ich lasse die beiden einfach vertauschen …“
Während er alle diese Beschuldigungen hervorstieß, hatte sich Remmert vor Waratto aufgebaut, breitbeinig, eine Faust in der Seite, die andere vor der Nase des Grafen schüttelnd. Waratto saß noch immer, in seinen Mantel gehüllt, auf der Bank unter der Weide. Hasserfüllt sah er zu Remmert auf, hinter dem sich dessen Leute mit wilden, drohenden Mienen zusammenrotteten.
„Bist du fertig?“, legte auch er nun los, wobei er sich aufraffte, um auf den andern herabzusehen. „Was polterst du hier herum, Bauerntölpel? Wozu reißt du das Maul auf? In deiner grenzenlosen Dummheit hast du doch deinen Sohn selbst umgebracht! Ich wollte den Wenden hängen lassen – dabei hätte ich den richtigen Hals nicht verfehlt! Aber du wolltest ihn in die Elbe werfen und hast ihn in den Sack stecken lassen. Und boshaft und gemein, wie du bist, war dir das nicht genug – nein, es musste noch etwas zum Lachen geben! Ja, lache nur, lache! Jetzt hast du Grund
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