Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
dazu!“
„Männer!“, schrie Remmert. „Hört ihr das? Er verhöhnt uns noch! Der Mörder meines Sohnes verhöhnt uns! Einen Speer! Gebt mir einen Speer!“
Was jetzt geschah, war von dem Platz aus, wo ich stand, nur schwer zu verfolgen. Wohl an die 30, 40 schreiende Männer umringten die beiden Widersacher. Es schien, dass Waratto um sich schlug und zu entkommen suchte. Ein Speer schwebte über den Köpfen, von zwei Fäusten umklammert. Ob Remmert es selbst war, der zustieß, konnte ich nicht erkennen. Alle brüllten noch einmal auf, und dann traten viele zurück, und ich konnte Waratto sehen, der auf der Bank zusammengesunken war und plötzlich auf den Boden herabrollte. Schnell breitete sich unter seinem Hals eine Blutlache aus. Er hob noch den Kopf und versuchte, sich aufzurichten. Aber da war schon einer mit dem Schwert über ihm und stach zwei-, dreimal zu. Ein anderer versetzte ihm einen Fußtritt, doch den schien er nicht mehr zu spüren.
Odo, der weiter entfernt stand als ich, hielt es nun nicht mehr aus und eilte hinzu. Als seine Wächter ihn aufhalten wollten, schlug er ihnen mit den gefesselten Händen so hart ins Gesicht, dass sie zurücktaumelten. Andere wichen vor ihm aus. Er trat zu dem Ermordeten und beugte sich über ihn. Als er den Kopf hob, maß er Remmert und seinen Anhang mit einem funkelnden Blick und sagte mit donnernder Stimme: „Es sollen sich diejenigen melden, die das getan haben. Sie werden sich vor dem Gericht des Kaisers verantworten müssen!“
Der Sachsenhäuptling hatte einen Augenblick lang reglos dagestanden, als ob ihn die eigene Untat erschreckte. Jetzt brachte ihn die Erwähnung des Kaisers erneut zum Sieden. Er bückte sich und hob den Speer mit der blutigen Spitze auf, den der Mörder Warattos – er selber oder ein anderer – fallen gelassen hatte.
„Vor dem Gericht des Kaisers?“, brüllte er. „Dort könnt ihr lange auf uns warten. Und hier, im freien Sachsen, habt ihr Franken nichts mehr zu suchen! Mein Sohn, der da in dem Boot verbrennt, war ein Toter zu viel! Und wenn du es wagst, noch das Maul aufzureißen, Schurke, dann wird dir nicht mehr viel Zeit bleiben, es zu bereuen! Dann kannst du dem da Gesellschaft leisten, wenn wir ihn in die Elbe schmeißen! Dann …“
„Odo!“, schrie ich. „Zurück!“
Remmert hatte den Speer gehoben, als wollte er ihn auf Odo schleudern. Aber er ließ den Arm gleich wieder sinken und warf die Waffe ins Gras.
„Nein! Wozu soll ich das selber besorgen? Das können die Wenden da drüben tun. Die werden sich freuen, wenn sie hohen Besuch bekommen – von den Entführern ihres Totenschiffs! Auf ihren Opfersteinen stirbt es sich ganz besonders angenehm! Alle hierher! Da liegt noch ein Boot, es leckt, vielleicht geht es schon bei der Überfahrt unter! Packt sie hinein – alle vier! Dazu die beiden Franken, Warattos Saufbrüder! Schade, dass Chrok nicht hier ist, ihr Bischof, den werden wir später an seine Kirchentür nageln! Zelibor! Ins Boot mit dir, du bringst sie hinüber!“
Der Herbergswirt, der sich heftig sträubte, wurde herbeigeschleppt. Er fiel vor Remmert auf die Knie.
„Erbarmen, Herr! Die Obodriten werden mich töten!“
„Das werden sie – und das sollen sie, du wilzischer Hund! Du warst verantwortlich für den Gefangenen! Mit Waratto und seiner Hure von Tochter hast du ihn ausgetauscht – gegen Wido! Aber das wird dir da drüben nichts nützen, die wollen den Slawomir nicht mehr haben, und auf dich warten sie schon lange! Ins Boot mit ihm! Nehmt allen die Fesseln ab, sollen sie rudern, sonst saufen sie ab mit dem elenden Kahn. Ich gönne ihnen einen schöneren Tod!“
Während Remmert weiter schimpfte und dabei Fausthiebe und Fußtritte verteilte, wurden wir zu dem einzigen Boot geschleppt, das noch am Ufer lag. Es schien dort schon eine Weile zu rotten, doch wunderbarerweise fiel es nicht auseinander, als wir es, von unseren Fesseln befreit, zu Wasser ließen. Wir sprangen hinein und ergriffen die Reste von Ruderhölzern, die wir im fauligen Wasser auf dem Boden des Bootes fanden. Wir waren sieben, und mit Ausnahme Zelibors hatten wir es alle sehr eilig, dem Machtbereich des wütenden, aufrührerischen Sachsen zu entkommen. Wer konnte wissen, ob er nicht anderen Sinnes wurde, sobald er den Blick elbabwärts wandte und weit hinten die schwarze Rauchfahne sah, die von den versinkenden Bootstrümmern aufstieg.
Inzwischen war es taghell, und mit der Strömung kamen wir gut voran. Wir waren aber kaum
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